Das Testament – Vor- und Nachteile der einzelnen Formen

1. Warum ein Testament? – Praktische Bedeutung

Die gesetzliche Erbfolge ist ein grober Standard – aber sie passt nur selten wirklich zum Leben einer Familie. In der Praxis gibt es immer wieder Konstellationen, in denen die reine Gesetzeslösung zu falschen Ergebnissen führt. Beispiele hierfür sind:

  • nichteheliche Lebensgemeinschaften, in denen der Partner ohne Testament leer ausgeht

  • Patchworkfamilien mit Kindern aus verschiedenen Beziehungen

  • die Versorgung eines behinderten Kindes, ohne es durch direkte Geldzuflüsse sozialrechtlich zu “überfordern”

  • Unternehmer, Freiberufler, Landwirte: Betriebsvermögen soll in einer Hand bleiben und nicht in Erbengemeinschaften zerrieben werden

Ein Testament erfüllt daher mehrere Funktionen:

  • Versorgung der Hinterbliebenen: Wer soll abgesichert werden – Ehepartner, Kinder, Lebensgefährte, jemand anders?

  • Steuerung des Nachlassvermögens: Wer soll was bekommen? Wer eher nicht? Wie lassen sich spätere Konflikte vermeiden?

  • Steueroptimierung: Gestaltung kann Erbschaftsteuer nicht “wegzaubern”, aber oft deutlich abmildern

  • Gemeinwohl & Werte: Viele Menschen wollen einen Teil des Vermögens auch für gemeinnützige Zwecke einsetzen (Stiftungen, Vereine etc.)

Das Testament ist damit das zentrale Instrument, um den Erbgang bewusst zu gestalten – gerade für Familien mit Vermögen, Immobilien oder Unternehmen.

2. Was darf ich im Testament regeln – und wo sind die Grenzen?

Testierfreiheit – im Prinzip dürfen Sie entscheiden

Die Testierfreiheit ist verfassungsrechtlich geschützt: Sie dürfen bestimmen, wer Ihr Vermögen nach Ihrem Tod erhält, und Sie dürfen davon abweichen, was das Gesetz vorsieht.

Sie können:

  • Erben einsetzen (eine Person oder mehrere mit Quoten)

  • bestimmte Personen bewusst nicht als Erben vorsehen (Enterbung)

  • einzelne Gegenstände oder Geldbeträge als Vermächtnis zuweisen

  • Auflagen anordnen (z. B. Grabpflege, Erhalt einer Immobilie im Familienbesitz)

  • Testamentsvollstreckung anordnen, um die Umsetzung zu sichern

Die Erbeinsetzung ist dabei immer höchstpersönlich: Sie können weder einen Vertreter bestimmen, der “für Sie” testiert, noch einem Dritten die Auswahl der Erben überlassen (“Mein Freund X soll entscheiden, wer erben soll.”). Das Gesetz verlangt, dass erkennbar ist, wer Erbe werden soll.

Zwingende Grenzen: Pflichtteil & Co.

Die Testierfreiheit ist nicht grenzenlos. Wesentliche Schranken sind:

Pflichtteilsrecht

Bestimmte nahe Angehörige können nicht vollständig “wegtestiert” werden. Pflichtteilsberechtigt sind:

  • Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel)

  • Ehegatte bzw. eingetragener Lebenspartner

  • Eltern, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind

Der Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wer etwa die Kinder enterbt, muss damit rechnen, dass diese Pflichtteilsansprüche gegen den Nachlass geltend machen – mit möglichen Liquiditätsproblemen, etwa bei Immobilien oder Unternehmen. Lösungen können z. B. Pflichtteilsverzichte gegen Abfindung oder eine geschickte Verteilung der Vermögenswerte sein.

Sittenwidrigkeit & persönliche Freiheit anderer

Testamente, die in unzulässiger Weise Druck ausüben oder auf der massiven Benachteiligung bestimmter Familienmitglieder aus bloßer Böswilligkeit beruhen, können unwirksam sein. Gleiches gilt für Regelungen, die massiv in grundlegende Freiheitsrechte (Glauben, Familie, Beruf) eingreifen sollen.

Unvererbliche Rechte

Nicht alles lässt sich vererben. Persönliche Rechte wie Vereinsmitgliedschaften, bestimmte Nutzungsrechte (etwa Nießbrauch) oder rein höchstpersönliche Ansprüche können nicht per Testament übertragen werden. Hier lohnt sich im Einzelfall die Prüfung, was wirklich in den Nachlass fallen kann.

Heimträger & berufsmäßige Betreuer

Heime und deren Mitarbeiter sowie berufsmäßige Betreuer unterliegen gesetzlichen Grenzen, wenn sie im Testament bedacht werden. Hintergrund ist der Schutz der oft besonders vulnerablen Erblasser vor unzulässiger Einflussnahme. Solche Zuwendungen sind rechtlich sehr sensibel und sollten immer anwaltlich geprüft werden.

Unternehmen & Gesellschaftsrecht

Gehören zum Vermögen Gesellschaftsanteile (GbR, OHG, KG, GmbH, GmbH & Co. KG), greifen die Regelungen des Gesellschaftsrechts und des Gesellschaftsvertrags in den Erbgang ein. Ohne Abstimmung drohen:

  • Auflösung einer Gesellschaft

  • bloße Abfindungsansprüche der Erben statt echter Nachfolge

  • Pflichtteilsansprüche, die das Unternehmen in Liquiditätsnot bringen

Spätestens bei Unternehmensbeteiligungen sollte das Testament immer mit den Gesellschaftsverträgen verzahnt werden.

3. Wer darf überhaupt ein Testament machen? – Testierfähigkeit

Ein Testament ist nur wirksam, wenn der Erblasser testierfähig ist. Das ist keine akademische Frage, sondern in der Praxis oft Streitpunkt – vor allem bei älteren oder kranken Menschen.

Grundsätzlich gilt:

  • Volljährige sind testierfähig, solange sie die Bedeutung ihrer Verfügung verstehen und danach handeln können.

  • Minderjährige ab 16 Jahren können testieren, aber nur in notarieller Form. Ein handschriftliches Testament eines 17-Jährigen ist also unwirksam.

  • Geistige Erkrankungen, Demenz, schwere Suchterkrankung oder Bewusstseinsstörungen können zur Testierunfähigkeit führen, wenn der Betroffene nicht mehr überblickt, was er verfügt und welche Folgen das für die Beteiligten hat.

Wichtig: Es kommt immer auf den Zeitpunkt der Errichtung an. Jemand kann früher oder später krank oder dement sein und dazwischen noch testierfähig – oder eben nicht.

Praxistipp:

Bei Zweifeln an der geistigen Leistungsfähigkeit sollte frühzeitig gehandelt, dokumentiert und oft auch ein notarielles Testament gewählt werden. Das erschwert spätere Anfechtungen erheblich.

4. Form, Aufbewahrung und typische Fehler

Ein Testament kann rechtlich perfekt gedacht sein – und trotzdem unwirksam sein, weil es an der Form scheitert. Ebenso problematisch: Das Testament existiert, wird aber nicht gefunden oder nicht abgegeben.

Wesentliche Punkte:

  • Ein privatschriftliches Testament muss vollständig handschriftlich geschrieben und unterschrieben sein. Formulare, Computer, Schreibmaschine genügen nicht.

  • Ort und Datum sind zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung im engeren Sinn, aber extrem wichtig, wenn mehrere Testamente existieren oder Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen.

  • Ein Testament, das als “Entwurf” verstanden wurde, lose Notizen, Briefe oder Zettel können im Einzelfall als Testament gelten – oder auch nicht. Das führt in der Praxis zu erbitterten Prozessen.

Verwahrung

Ein eigenhändiges Testament kann zu Hause aufbewahrt werden – mit dem Risiko, dass es verloren geht, zerstört oder “verschwunden” wird. Sicherer ist die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht bzw. die Verwahrung durch den Notar inklusive Registrierung im Zentralen Testamentsregister. Dann stellt das Gericht im Todesfall sicher, dass das Testament eröffnet wird.

Herausgabepflicht

Wer ein Testament besitzt, ist verpflichtet, es nach dem Tod des Erblassers beim Nachlassgericht abzuliefern. Das gilt auch für alte Testamente oder offenkundig widerrufene Fassungen. Wer das unterlässt, riskiert Schadensersatz.

5. Die wichtigsten Testamentsformen im Vergleich

Nach diesem allgemeinen Teil kommt die Frage, die Mandanten am meisten interessiert: Welche Testamentsform ist für mich die richtige – und was sind die Vor- und Nachteile?

Eigenhändiges (privatschriftliches) Testament

Das eigenhändige Testament ist die bekannteste Form: Der Erblasser schreibt seinen letzten Willen vollständig mit eigener Hand, unterschreibt und bewahrt das Dokument auf.

Vorteile:

  • schnell und unkompliziert, ohne Notartermin

  • keine unmittelbaren Kosten

  • jederzeit zu Hause änderbar und widerrufbar

  • für einfache, überschaubare Vermögens- und Familienverhältnisse oft ausreichend

Nachteile:

  • hohes Fehler- und Auslegungsrisiko, insbesondere bei komplizierteren Familien- und Vermögensverhältnissen

  • Formfehler (nicht komplett handschriftlich, fehlende Unterschrift, unklarer Inhalt) können zur Unwirksamkeit führen

  • erhöhte Gefahr, dass das Testament verloren geht, übersehen oder bewusst zurückgehalten wird

  • häufig unklar, ob “Zettel”, Briefe oder Nachträge als verbindlicher letzter Wille gelten sollen

Gerade der bei Laien beliebte Stil “mein Sohn bekommt das Haus, meine Tochter das Depot” ist juristisch keine echte Erbeinsetzung, sondern muss oft mühsam ausgelegt werden. Ergebnis können Erbengemeinschaften, Streit und teure Prozesse sein.

Öffentliches (notarielles) Testament

Beim öffentlichen Testament erklärt der Erblasser seinen letzten Willen gegenüber einem Notar, der diesen beurkundet. Das kann entweder durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer von dritter Seite ausgearbeiteten Schrift geschehen.

Vorteile:

  • Rechtssicherheit: Der Notar achtet auf Form und Klarheit

  • starke Beweiskraft: Spätere Angriffe wegen angeblicher Testierunfähigkeit oder Formfehlern sind deutlich erschwert

  • automatische amtliche Verwahrung und Registrierung – das Testament geht nicht “verloren”

  • häufig kein Erbschein erforderlich, was später Kosten spart (insbesondere bei Immobilien)

Nachteile:

  • es entstehen Notar- und Registerkosten (gestaffelt nach Vermögenswert)

  • es braucht einen Termin und etwas Vorlauf – also keine “5 Minuten-Lösung”

  • spontane, mehrfach wechselnde “Testamentsschreiberei” ist weniger praktikabel (was rechtlich aber meist ohnehin nicht sinnvoll ist)

Für komplexere Fälle – Vermögen, Immobilien, Unternehmen, Patchworkfamilien, internationale Bezüge – ist das notarielle Testament in aller Regel die bessere Wahl.

Gemeinschaftliches Testament von Ehegatten (insbesondere Berliner Testament)

Ehegatten und eingetragene Lebenspartner können ein gemeinschaftliches Testament errichten – entweder handschriftlich (ein Partner schreibt, beide unterschreiben) oder notariell.

Die bekannteste Sonderform ist das “Berliner Testament”: Die Ehegatten setzen sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen die Kinder zu Schlusserben des Längerlebenden.

Vorteile:

  • einfache, verständliche gegenseitige Absicherung des Ehepaares

  • häufiger Wunsch: “Zuerst soll der Ehepartner alles bekommen, die Kinder erst nach dem zweiten Todesfall.”

  • kann mit erbschaftsteuerlichen Überlegungen kombiniert werden (z. B. Nutzung von Freibeträgen über zwei Erbfälle)

  • klare Linie, wer “am Ende” alles erhalten soll

Nachteile:

  • starke Bindungswirkung: Wechselbezügliche Verfügungen können nach dem Tod des Erstversterbenden vom Längerlebenden nicht mehr einseitig geändert werden (oder nur unter engen Voraussetzungen)

  • Pflichtteilsrisiko: Kinder können bereits nach dem ersten Erbfall ihren Pflichtteil verlangen – und damit den überlebenden Ehegatten in finanzielle Schwierigkeiten bringen

  • problematisch bei Patchworkfamilien, Unternehmen oder größeren Vermögen, wenn keine differenzierten Regelungen getroffen werden

  • neue Lebenssituationen (zweite Ehe, Zerwürfnis mit Kindern etc.) lassen sich schwerer nachträglich einbauen, wenn Bindungen bestehen

Gerade beim Berliner Testament ist saubere Gestaltung wichtig: Pflichtteilsstrafklauseln, Regelungen bei Wiederverheiratung, Ergänzungen zu Unternehmen oder Immobilien sind häufig unverzichtbar.

Nottestamente – nur für den Ernstfall

Daneben sieht das Gesetz Nottestamente vor, etwa:

  • Testament vor dem Bürgermeister

  • Dreizeugentestament bei akuter Todesgefahr

  • Seetestament auf einem deutschen Schiff

Sie spielen heute nur in Ausnahmesituationen eine Rolle – etwa bei plötzlicher Lebensgefahr und fehlender Erreichbarkeit eines Notars. Die Formanforderungen sind streng, die Wirksamkeit zeitlich begrenzt, und in der Praxis wird ein Nottestament später meist durch ein neues Testament ersetzt, sobald sich Gelegenheit dazu bietet.

Fazit

Wenn Sie überlegen, ob für Sie ein eigenhändiges, notarielles oder gemeinschaftliches Testament (oder eine Kombination auch mit lebzeitigen Übertragungen) sinnvoll ist – insbesondere bei Unternehmen, Immobilien oder Patchwork-Konstellationen – können wir gemeinsam prüfen, welche Form Ihre Ziele am besten abbildet und zugleich Pflichtteils- und Steuerfragen im Blick behält. Wir sehen eine Beratung zu diesem Thema immer mehrdimensional und beleuchten aus unterschiedlichen Rechtsgebieten heraus zusätzlich auch die Möglichkeiten lebzeitiger Übertragung. So schaffen wir eine auf Sie zugeschnittene und für Sie passende Lösung.

Jetzt Termin vereinbaren
Next
Next

Anordnungen des Erblassers - Bedingungen und Befristungen, familienrechtliche Anordnungen und trans- und postmortale Vollmacht