Anordnungen des Erblassers - Vor- und Nacherbschaft und Verwirkungs- und Pflichtteilsklausel

1. Vor- und Nacherbschaft – Nachfolge in zwei Stufen

Die Vor- und Nacherbfolge ist ein starkes Gestaltungsmittel im deutschen Erbrecht. Sie ermöglicht, den Weg des Vermögens über zwei Generationen hinweg relativ präzise vorzugeben: Erst erbt der Vorerbe, anschließend – zu einem späteren Zeitpunkt – der Nacherbe.

Typische Ziele:

  • Vermögen soll in der Familie bleiben und nicht in den Nachlass eines neuen Partners „hineinrutschen“ (z.B. beim Geschiedenentestament oder bei Wiederverheiratung).

  • Ein Kind soll zwar die Erträge nutzen, das Vermögen selbst aber langfristig gesichert werden (z.B. bei Verschuldung, Insolvenz, Suchtproblematik oder beim „Behindertentestament“).

  • Gestaltungen, bei denen die Pflichtteilsbemessungsgrundlage beeinflusst wird, ohne Pflichtteile „wegzuzaubern“.

1.1 Grundstruktur: Wer erbt was – und wann?

  • Vorerbe:
    Er wird mit dem Tod des Erblassers Erbe und erhält den Nachlass zunächst voll. Er ist aber durch das Gesetz und ggf. durch das Testament in seiner Verfügungsbefugnis zugunsten des Nacherben beschränkt.

  • Nacherbe:
    Er erwirbt mit dem Tod des Erblassers kein Eigentum, sondern eine Anwartschaft: ein gesichertes Recht darauf, später (z.B. beim Tod des Vorerben) den Nachlass zu bekommen. Dieses Anwartschaftsrecht:

    • ist grundsätzlich vererblich und

    • in der Praxis häufig auch übertragbar und pfändbar.

Der Nacherbfall tritt – wenn nichts anderes geregelt wird – mit dem Tod des Vorerben ein (§ 2106 BGB). Der Erblasser kann aber auch andere Zeitpunkte oder Bedingungen anordnen, etwa:

  • Nacherbfall bei Wiederverheiratung des Vorerben

  • Nacherbfall bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (z.B. Verkauf eines Unternehmens, Erreichen eines Alters)

Wichtig:

Nur der Nachlass des Erblassers unterliegt der Vor- und Nacherbfolge. Das Eigenvermögen des Vorerben bleibt davon unberührt und kann von diesem frei vererbt werden.

1.2 Anwartschaft des Nacherben: vererblich, übertragbar – oder nicht?

Standardfall: Die Anwartschaft des Nacherben ist vererblich und übertragbar. Sie gehört also zu dessen Vermögen (mit allen Folgen: Zwangsvollstreckung, Insolvenz etc.).

Der Erblasser kann aber:

  • die Vererblichkeit ausschließen oder

  • auf einen bestimmten Personenkreis beschränken (z. B. nur eigene Abkömmlinge),

  • ausdrücklich Ersatznacherben bestimmen (z. B. Enkelkinder), falls der Nacherbe vor dem Nacherbfall verstirbt.

Gerade bei größeren Vermögen oder komplexen Familienkonstellationen lohnt es sich, im Testament klar zu regeln:

  • Soll das Nacherbenrecht vererblich sein oder nur innerhalb eines bestimmten Stammes bleiben?

  • Wer soll Ersatznacherbe sein, wenn der Nacherbe vorzeitig wegfällt?

  • Was gilt beim gleichzeitigen Versterben von Vor- und Nacherben (gemeinsamer Unfall etc.)?

Fehlen solche Regelungen, entscheidet im Zweifel eine – oft schwer vorhersehbare – Testamentsauslegung.

1.3 Nicht befreiter Vorerbe: stark gebunden, Nacherbe stark geschützt

Ist im Testament nichts Besonderes geregelt, gilt der Vorerbe als „nicht befreit“. Das bedeutet:

  • Er darf über Grundstücke, Grundschulden, Hypotheken nur eingeschränkt verfügen.

  • Schenkungen, die über übliche Gelegenheitsgeschenke hinausgehen, sind nur mit Zustimmung des Nacherben zulässig.

  • Beträge aus dem Nachlass müssen sicher angelegt werden; der Vorerbe ist an bestimmte Anlageformen gebunden.

  • Der Nacherbe hat Kontroll- und Informationsrechte (Nachlassverzeichnis, Auskunft, Sicherungen, ggf. Wirtschaftsplan bei Wald).

  • Grundbesitz wird mit einem Nacherbenvermerk im Grundbuch gesichert.

Der nicht befreite Vorerbe darf die Erträge aus dem Nachlass grundsätzlich behalten und darüber auch verfügen. Der Substanzwert des Nachlasses soll aber für den Nacherben erhalten bleiben.

Praxisbeispiele:

  • Immobilienvermögen, das erhalten bleiben soll

  • Beteiligungen an Familienunternehmen

  • Wertpapiervermögen, das nicht „aufgeraucht“ werden darf

1.4 Unternehmen und Beteiligungen beim Vorerben

Fällt ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaftsbeteiligung in den Nachlass, wird es schnell anspruchsvoll:

  • Der Vorerbe entscheidet grundsätzlich, ob er das Unternehmen fortführt oder einstellt.

  • Tritt er in eine Personengesellschaft ein, wird er Gesellschafter, nicht der Nacherbe.

  • Gewinnanteile stehen dem Vorerben zu; über Änderungen im Gesellschaftsvertrag kann er mitentscheiden – aber unentgeltliche oder substanziell nachteilige Änderungen können mit Nacherbenrechten kollidieren.

Hier ist eine sorgfältige Abstimmung mit gesellschaftsrechtlichen Regelungen zwingend – oft inklusive Sonderklauseln im Gesellschaftsvertrag und im Testament.

1.5 Befreiter Vorerbe: mehr Freiheit, weniger Schutz

Nach § 2136 BGB kann der Erblasser den Vorerben von vielen gesetzlichen Beschränkungen befreien. Er bleibt zwar Vorerbe, kann aber über Nachlassgegenstände wesentlich freier verfügen. Grenzen bleiben:

  • Verbot unentgeltlicher Verfügungen (er kann den Nachlass nicht “verschenken”),

  • bestimmte Mindestschutzvorschriften, etwa die Surrogation (Ersatzgegenstände rücken an die Stelle veräußerter Gegenstände),

  • Pflicht zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses.

Die Befreiung wird in Grundbuch und Erbschein vermerkt.

Typischer Einsatz:

  • Geschiedenentestament mit Vorerbschaft des neuen Partners, Nacherbschaft der Kinder, aber mit möglichst großer Freiheit für den neuen Partner.

  • Ehegattentestament, bei dem der längerlebende Ehegatte zwar formal Vorerbe ist, aber im Alltag praktisch wie ein Vollerbe handeln können soll – das Vermögen soll nur nicht in den Nachlass eines neuen Partners einfließen.

Wenn der Vorerbe sehr weitgehend befreit wird, verliert die Nacherbfolge allerdings einen Teil ihrer Schutzwirkung. In solchen Fällen spielt die Kombination mit Testamentsvollstreckung und Vermächtnissen eine wichtige Rolle.

1.6 Alternativen: Nießbrauch statt Vor- und Nacherbschaft

Statt Vor- und Nacherbschaft kann es sinnvoll sein, denjenigen, der eigentlich Vorerbe sein sollte, nicht zum Erben, sondern nur zum Nießbraucher zu machen:

  • Der „Nacherbe“ wird gleich Vollerbe.

  • Der „Vorerbe“ erhält ein lebenslanges Nießbrauchsrecht (z. B. an einer Immobilie oder am Unternehmensertrag).

Vorteile:

  • Einfachere Struktur, insbesondere steuerlich.

  • Kein Anwartschaftsrecht, das vererblich und übertragbar ist.

  • Kein Nacherbenvermerk, keine Diskussion über befreiten/nicht befreiten Vorerben.

Nachteil:

Man verzichtet auf die spezifischen Steuerungsinstrumente der Nacherbfolge (insbesondere die Möglichkeit, die Vererblichkeit des Nacherbenrechts zu steuern).

2. Verwirkungsklauseln (Strafklauseln) – „Wer gegen mein Testament kämpft, verliert“

Viele Erblasser möchten verhindern, dass ihre Nachfolgegestaltungen nach dem Tod in langwierigen Prozessen zerpflückt werden. Hier setzen Verwirkungsklauseln (auch Straf-, Sanktions- oder „No-contest“-Klauseln) an.

Grundgedanke: Wer sich gegen mein Testament stellt, soll weniger oder gar nichts bekommen. Typische Formulierungen lauten etwa: „Wer mein Testament anficht“ oder „wer Streit anfängt, verliert seinen Erbteil“.

2.1 Rechtliche Einordnung

Verwirkungsklauseln sind grundsätzlich zulässig. Meist handelt es sich im Kern um:

  • eine auflösend bedingte Erbeinsetzung:
    Der Bedachte wird Erbe, solange er sich nicht sanktionsbewehrt verhält; bei Verstoß entfällt seine Erbenstellung.

  • ggf. mit einer konstruktiven Vor- und Nacherbschaft im Hintergrund:
    Mit dem Verstoß tritt quasi der „Nacherbfall“ ein, und andere Personen rücken nach.

Grenzen:

  • §§ 134, 138 BGB (z. B. rechtsmissbräuchliche oder sittenwidrige Sanktionsmechanismen),

  • überzogene Eingriffe in Grundrechte oder elementare Verfahrensrechte sind problematisch.

Wichtig: Die Pflichtteilsrechte pflichtteilsberechtigter Personen (Kinder, Ehegatten etc.) lassen sich auf diesem Weg nicht beseitigen. Der Betroffene kann regelmäßig zumindest den Pflichtteil verlangen – wenn auch mit Konsequenzen für seine Stellung als Erbe.

2.2 Wann ist die Klausel ausgelöst?

Die Rechtsprechung arbeitet mit einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand:

  • Objektiv:

    Es muss ein Verhalten vorliegen, das nach Auslegung der Klausel wirklich gemeint ist – nicht jede Unmutsäußerung oder Nachfrage löst die Sanktion aus. Häufig erfasst sind:

    • Anfechtungsklagen,

    • Geltendmachung der Unwirksamkeit des Testaments,

    • bestimmte prozessuale Angriffe im Erbscheinsverfahren.

  • Subjektiv:

    Der Bedachte muss sich bewusst gegen den Erblasserwillen stellen. Erforderlich ist – vereinfacht – eine erkennbare „Auflehnung“ gegen das Testament, nicht bloß ein gut begründeter Versuch, offene Rechtsfragen klären zu lassen oder Fälschungsverdacht prüfen zu lassen.

Zentrale Folge: Wer nach sorgfältiger Prüfung und mit ernsthaften Gründen gegen eine Verfügung vorgeht, löst die Klausel in der Regel nicht aus.

2.3 Rechtsfolgen und Ersatzerben

Wenn die Klausel ausgelöst ist:

  • entfällt die Zuwendung (Erbeinsetzung oder Vermächtnis),

  • es rückt in der Regel ein Ersatzerbe nach (wenn bestimmt),

  • ansonsten kommt Anwachsung unter den übrigen Erben oder gesetzliche Erbfolge in Betracht.

Gestaltungsfragen:

  • Soll nur die eine Person sanktioniert werden oder der gesamte Stamm (also auch deren Kinder)?

  • Wer soll konkreter Ersatzerbe sein?

    • Die übrigen Miterben?

    • Enkelkinder?

    • Eine Stiftung oder gemeinnützige Organisation?

Ohne klare Festlegung muss später im Wege der Testamentsauslegung ermittelt werden, was „wohl gemeint war“ – mit entsprechend hohem Streitpotenzial.

2.4 Gestaltung in der Praxis – wann und wie sinnvoll?

Verwirkungsklauseln sind scharfes Schwert und sollten eher zurückhaltend eingesetzt werden.Sinnvoll sind sie u.a.:

  • bei absehbar konfliktträchtigen Familienkonstellationen,

  • in komplexen Vermögensstrukturen, wo jahrelange Prozesse den Gesamterfolg gefährden (z. B. Unternehmen, größere Immobilienportfolios),

  • zur Flankierung von Pflichtteilsklauseln in Ehegattentestamenten.

In vielen Fällen bietet sich statt einer „harten“ Verwirkung (Erbverlust) eine mildere Lösung an:

  • auflösend bedingtes Herausgabe­vermächtnis:

    Der Erbe bleibt zunächst Erbe, ist aber verpflichtet, bei Verstoß gegen die Klausel den Nachlass (oder Teile davon) an Dritte herauszugeben.

    Vorteil: Man vermeidet automatisch entstehende Vor- und Nacherbschaft mit allen formellen Folgen (Grundbuch, Erbschein, steuerliche Effekte).

3. Pflichtteilsstrafklauseln – Sonderfall im Ehegattentestament

Pflichtteilsstrafklauseln sind eine besondere Form der Verwirkungsklausel. Sie begegnen einem in der Praxis vor allem im Berliner Testament (Ehegatten setzen sich zunächst gegenseitig als Alleinerben ein, die Kinder erben „am Schluss“).

Grundidee:

Wer nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, soll im zweiten Erbfall schlechter gestellt werden – häufig bis hin zur Enterbung.

3.1 Typische Ziele

  • Der längerlebende Ehegatte soll finanziell und praktisch maximal abgesichert werden.

  • Es soll kein Vermögensabfluss durch Pflichtteile nach dem ersten Erbfall erfolgen.

  • Die Kinder sollen sich idealerweise „gedulden“ und erst nach dem zweiten Erbfall erben – dann aber möglichst gleich.

Das juristisch saubere Instrument, Pflichtteile sicher auszuschließen, ist der notarielle Pflichtteilsverzicht. Pflichtteilsstrafklauseln arbeiten dagegen mit einem Druck-Mechanismus: Wer sich nicht an die „Spielregeln“ hält, wird bestraft.

3.2 Einheitslösung vs. Trennungslösung

Pflichtteilsstrafklauseln sind in zwei Grundmodellen anzutreffen:

  1. Einheitslösung (klassisches Berliner Testament)

    • Der längerlebende Ehegatte wird Vollerbe.

    • Die Kinder werden Schlusserben des Gesamtvermögens.

    • Die Pflichtteilsgeltendmachung nach dem ersten Erbfall führt oft dazu, dass das betreffende Kind im zweiten Erbfall nur noch den Pflichtteil erhält oder ganz enterbt ist.

    Wirtschaftlich kann sich das Pflichtteilsverlangen dennoch lohnen – insbesondere wenn:

    • der längerlebende Ehegatte sehr vermögend ist,

    • das Vermögen bis zum zweiten Erbfall weiter wächst,

    • oder unklar ist, ob bis zum zweiten Erbfall überhaupt noch Substanz übrig ist.

  2. Trennungslösung (Vor- und Nacherbschaft)

    • Der längerlebende Ehegatte wird nur Vorerbe,

    • die Kinder sind Nacherben des erstverstorbenen Elternteils.

    • Der Pflichtteilsberechtigte muss zunächst ausschlagen, um an seinen Pflichtteil zu kommen (§ 2306 BGB).

    Vorteil: Im zweiten Erbfall berechnet sich der Pflichtteil des „ungehorsamen“ Kindes nicht auf das gesamte zusammengefallene Vermögen beider Elternteile, sondern nur auf das Eigenvermögen des Längerlebenden. Eine „Pflichtteilspotenzierung“ wie bei der Einheitslösung wird vermieden.

Welche Variante sinnvoll ist, hängt stark von Vermögensstruktur, Familienkonstellation und steuerlichen Überlegungen ab.

3.3 „Verlangen des Pflichtteils“ – ab wann wird es gefährlich?

Eine der zentralen Auslegungsfragen lautet: Ab welchem Verhalten gilt, dass ein Kind den Pflichtteil „verlangt“ hat?

Grundsätzlich zu unterscheiden sind:

  • Auskunftsverlangen (Nachlassverzeichnis, Werte etc.): meist noch nicht sanktionsauslösend, da der Pflichtteilsberechtigte erst wissen muss, worüber er entscheidet.

  • ernsthafte Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs: schriftliche oder gerichtliche Forderung, erkennbar mit Zahlungsziel.

  • Erhalt der Zahlung: je nach Klausel kann auch erst der Zufluss von Geld die Sanktion auslösen.

In der Gestaltungspraxis sollte klar geregelt werden:

  • Gilt schon die bloße Geltendmachung als „Verlangen des Pflichtteils“?

  • Oder erst die gerichtliche Geltendmachung?

  • Oder sogar erst der Erhalt einer Zahlung?

Ein bewährter Baustein ist der Zusatz „gegen den Willen des längerlebenden Ehegatten“. Damit wird ermöglicht, dass die Pflichtteilsgeltendmachung im Einvernehmen mit dem Längerlebenden etwa zur Steueroptimierung erfolgen kann, ohne automatisch die Sanktionsklausel auszulösen – wobei hierzu die Rechtsprechung teilweise streng ist. Saubere Formulierungen sind hier essenziell.

3.4 Wer rückt nach, wenn die Klausel greift?

Löst ein Kind die Pflichtteilsstrafklausel aus, stellt sich die Anschlussfrage: Wer tritt an seine Stelle als Erbe im zweiten Erbfall?

Mögliche Modelle:

  • Anwachsung: Die Erbquoten der übrigen Schlusserben erhöhen sich entsprechend.

  • Enkelkinder des sanktionierten Kindes treten an seine Stelle.

  • Eine Stiftung oder Dritte werden als Ersatzerben für diesen Fall eingesetzt.

  • Der längerlebende Ehegatte erhält einen Änderungsvorbehalt, um flexibel reagieren zu können.

In vielen Fällen soll die Klausel bewusst nicht nur das einzelne Kind, sondern den gesamten Stamm treffen („… und sein gesamter Stamm ist von der Erbfolge ausgeschlossen“). Das muss dann aber auch deutlich formuliert werden.

3.5 Varianten und Feinsteuerungen

In der Praxis finden sich u.a.:

  • Automatische Pflichtteilsstrafklausel: Wer den Pflichtteil verlangt, ist im zweiten Erbfall automatisch auf den Pflichtteil beschränkt bzw. enterbt.

  • Fakultative Pflichtteilsstrafklausel: Der längerlebende Ehegatte erhält das Recht (nicht die Pflicht), das „ungehorsame“ Kind nachträglich von der Erbfolge auszuschließen oder zu beschränken. Vorteil: Mehr Flexibilität und bessere Handhabbarkeit im Grundbuch- und Erbscheinsverfahren.

  • „Anrechnungslösung“: Das Pflichtteilsverlangen führt nicht zur Enterbung, sondern dazu, dass der erhaltene Pflichtteil (ggf. mit Verzinsung) auf den späteren Erbteil angerechnet wird, etwa über ein Vorausvermächtnis zugunsten der „braven“ Kinder.

  • Jastrow’sche Klausel: komplexe Gestaltung mit Vermächtnissen zugunsten der „wohlverhaltenden“ Kinder im ersten Erbfall, die den Nachlasswert im zweiten Erbfall mindern und damit den Pflichtteil des „ungehorsamen“ Kindes reduzieren. Diese Variante ist vor allem in größeren Vermögen interessant, hat aber erhebliche steuerliche Fallstricke und sollte nur sehr gezielt und mit steuerlicher Detailprüfung eingesetzt werden.

Fazit

Im Mittelpunkt steht immer die Frage, welches Ziel tatsächlich erreicht werden soll. Geht es darum, das Vermögen langfristig in der eigenen Familie zu halten, den längerlebenden Ehegatten möglichst umfassend abzusichern oder einzelne – mitunter schwierigere – Erben zu steuern bzw. auszubremsen? Ebenso wichtig ist die Einschätzung der Pflichtteilsrisiken: Soll der Zugriff bestimmter Personen möglichst reduziert werden, oder ist ein offenes, flexibleres Modell ausreichend?

Darauf aufbauend stellt sich die zentrale Strukturfrage: Reicht eine Vor- und Nacherbschaft – und falls ja, in welcher Ausprägung? Ein nicht befreiter Vorerbe bietet maximalen Schutz für die Nacherben, schränkt aber die Beweglichkeit des längerlebenden Ehegatten oder des zunächst Bedachten ein. Ein befreiter Vorerbe schafft mehr Flexibilität, birgt dafür aber Risiken für den Erhalt des Vermögens über zwei Generationen hinweg. Alternativ kann ein Modell gewählt werden, das den längerlebenden Ehegatten zum Vollerben macht, während der eigentliche „Familienkern“ über ein Nießbrauchsrecht, Vermächtnisse oder andere Rückfallregelungen abgesichert wird.

Hinzu kommt die Frage, ob Verwirkungs- oder Pflichtteilsstrafklauseln notwendig oder sinnvoll sind. Wenn ja, müssen sie präzise formuliert werden: Eine klare Definition des zu sanktionierenden Verhaltens ist entscheidend, ebenso eine eindeutige Regelung der Ersatzerben für den Fall, dass jemand durch die Klausel ausgeschlossen wird. In vielen Fällen bietet sich zudem eine maßvolle Flexibilisierung an – etwa durch fakultative Klauseln oder eingeschränkte Änderungsrechte des längerlebenden Ehegatten –, um den Familienfrieden zu erhalten, ohne das Gesamtkonzept zu gefährden.

Schließlich sollten die gewählten Instrumente immer auch steuerlich und praktisch durchdacht werden. Dazu gehören etwa die erbschaftsteuerlichen Wirkungen der einzelnen Modelle (insbesondere bei der Einheitslösung und Trennungslösung oder bei sogenannten Jastrow-Klauseln), die Auswirkungen auf Grundbuch- und Erbscheinsverfahren sowie die Frage, wie handlungsfähig der längerlebende Ehegatte oder die Familie insgesamt im Unternehmen bleibt. All diese Aspekte bestimmen, welche Gestaltung im konkreten Fall tatsächlich trägt – und welche eher neue Risiken schafft, als bestehende zu lösen.

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