Erbbaurecht in der Nachfolge: Bauen, nutzen, übertragen – ohne Grundstücksverkauf

Das Erbbaurecht erlebt seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance. Während es früher vor allem ein Instrument der öffentlichen Hand war, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wird es heute zunehmend von Familien, Unternehmern, Immobilienbesitzern und Stiftungen genutzt, um langfristige Vermögensstrukturen aufzubauen, ohne Grundstücke endgültig aus der Hand geben zu müssen. In der Nachfolgeplanung eröffnet das Erbbaurecht Lösungen, die auf herkömmlichem Weg – also über klassische Schenkung oder Verkauf – kaum erreichbar wären.

Wer Immobilien besitzt und seine Nachfolge ordnen möchte, steht häufig vor dem Problem, Vermögen zu übertragen, ohne die eigene Kontrolle zu verlieren oder die wirtschaftliche Substanz des Grundvermögens zu gefährden. Gleichzeitig spielen steuerliche Aspekte, Liquiditätsplanung und familiäre Dynamiken eine große Rolle. Das Erbbaurecht bietet hier einen eleganten Mittelweg: Das Grundstück bleibt im Familien- oder Unternehmensvermögen, während der Nutzungswert wirtschaftlich an eine nächste Generation, ein Kind, einen Dritten oder ein Unternehmen übergeht.

1. Eigentum und Nutzung trennen – das Grundprinzip des Erbbaurechts

Das Erbbaurecht lässt das Eigentum am Grundstück beim Erbbaugeber, während der Erbbauberechtigte so bauen und nutzen darf, als wäre er Eigentümer. Damit wird der Kern allen immobilienrechtlichen Denkens – nämlich die Einheit von Grundstück und Gebäude – künstlich aufgelöst.

Genau diese Trennung macht das Erbbaurecht in der Nachfolge so interessant. Eigentum bleibt geschützt, Vermögenssubstanz bleibt im Vermögen der Familie oder des Unternehmens, und trotzdem wird einer anderen Person ein langfristiges Baurecht eingeräumt, das eigenständig veräußerbar, belastbar und vererbbar ist. Wer also ein Grundstück übertragen möchte, ohne es endgültig zu veräußern, findet im Erbbaurecht eine rechtssichere Lösung, die unternehmerisches Denken und familiäre Vorsorge hervorragend verbindet.

Die Laufzeiten von Erbbaurechten – oft 60, 75 oder 99 Jahre – passen sich genau jener langfristigen Perspektive an, die Familienvermögen benötigen. Gleichzeitig erhält der Eigentümer einen Erbbauzins, der inflationsgeschützt gestaltet werden kann und eine planbare Liquidität bietet.

2. Erbbaurecht als Nachfolgeinstrument: Kontrolle sichern, Vermögen erhalten

In der klassischen Nachfolgeplanung werden Immobilien entweder verschenkt oder übertragen – oft unter Vorbehalt eines Nießbrauchs. Doch nicht jeder Übergeber möchte auf diese Weise sein Eigentum aus der Hand geben. Das Erbbaurecht bietet eine dritte Möglichkeit: Die Nachfolge wird geregelt, ohne dass das Grundstück jemals den Eigentümer wechselt.

Typische Konstellationen sind etwa Familien mit mehreren Kindern. Während eines der Kinder ein Haus bauen oder übernehmen möchte, sollen die anderen Kinder gleichbehandelt werden, ohne dass die Substanz des Grundstücks aufgeteilt oder verkauft wird. Das Erbbaurecht erlaubt hier eine faire und transparente Lösung: Ein Kind nutzt und bebaut, die anderen erhalten Erbbauzinsanteile oder Ausgleichszahlungen aus dem Familienvermögen.

Auch Unternehmerfamilien profitieren von dieser Struktur. Grundstücke, die Teil eines Betriebsvermögens sind, müssen nicht veräußert werden, um die nächste Generation einzubinden. Stattdessen kann der Betrieb ein Erbbaurecht erwerben, auf dessen Grundlage Betriebsgebäude oder Hallen stehen, ohne dass das wertvolle Grundstück übertragen werden muss. Auch bei Umstrukturierungen – etwa der Auslagerung eines operativen Geschäfts in eine neue Gesellschaft – ist das Erbbaurecht ein flexibles Instrument, das Trennung von Eigentum und Nutzung ermöglicht, ohne steuerlich nachteilige Veräußerungen auszulösen.

3. Steuerliche Auswirkungen: Warum das Erbbaurecht die Bewertung entscheidend beeinflusst

Das Erbbaurecht führt zu einer wirtschaftlichen und steuerlichen Besonderheit: Es schafft zwei neue Vermögenswerte, die unabhängig voneinander bewertet werden. Das freie Grundstück wird zum belasteten Grundstück, was einen geringeren steuerlichen Wert bedeutet. Gleichzeitig entsteht das Erbbaurecht, das einen eigenen Wert darstellt und beim Erbbauberechtigten angesetzt wird.

Für die Nachfolgeplanung ist dies aus zwei Gründen hochinteressant. Erstens verringert das belastete Grundstück den steuerlichen Wert des Vermögens beim Erbbaugeber. Wird das Grundstück im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge übertragen, fällt damit eine geringere Schenkungsteuer an. Zweitens kann das Erbbaurecht flexibel an Familienmitglieder übertragen werden, ohne dass es zu einer kompletten Übertragung der Immobilie kommt. Die Bewertung richtet sich nach dem Erbbauzins, der Restlaufzeit und dem Bodenwert – alles Faktoren, die planerisch gesteuert werden können.

In vielen Fällen entsteht dadurch eine steuerliche Entlastung, die bei einer direkten Grundstücksübertragung nicht erreichbar wäre. Besonders relevant ist dies, wenn hohe Bodenwerte vorliegen, wie in München, Hamburg oder Düsseldorf. Hier ermöglicht das Erbbaurecht eine deutliche Reduktion der steuerlichen Bemessungsgrundlage.

4. Liquidität und wirtschaftliche Steuerung: Planbarkeit für beide Seiten

Ein weiterer Vorteil des Erbbaurechts ist die planbare Liquidität, die es schafft. Der Erbbauberechtigte erhält ein Baurecht, das wie ein Eigentum an einem Gebäude funktioniert, während der Erbbaugeber über Jahrzehnte hinweg einen festen, wertgesicherten Erbbauzins erhält. Gerade für ältere Immobilieneigentümer oder Familiengesellschaften ist dies eine wesentliche Komponente finanzieller Stabilität.

Der Erbbauzins kann an den Verbraucherpreisindex gekoppelt werden, so dass er inflationsstabil bleibt. Die wirtschaftliche Familienplanung wird dadurch deutlich erleichtert: Während die nächste Generation eigene Immobilienentscheidungen trifft, erhält die ältere Generation ein sicheres Einkommen. Das Zusammenspiel aus Nutzungsrecht, langfristiger Planung und Eigentumsschutz macht das Erbbaurecht damit zu einem idealen Baustein im Generationenwechsel.

5. Flexibilität in der Gestaltung: Erbbauzins, Heimfall, Nachfolgerechte

Das Erbbaurecht ist in seiner vertraglichen Ausgestaltung sehr flexibel. Anders als bei Eigentumsübertragungen, die oft endgültig und schwer korrigierbar sind, können die Bedingungen eines Erbbaurechts exakt auf die Bedürfnisse der Parteien abgestimmt werden. Die Höhe des Erbbauzinses, Wertsicherungsklauseln, Heimfallrechte, Verlängerungsoptionen oder die Möglichkeit, das Erbbaurecht im Familienkreis weiterzugeben – all dies lässt sich individuell gestalten.

In der Nachfolgeplanung spielt insbesondere das Heimfallrecht eine Rolle. Es sichert dem Grundstückseigentümer das Baurecht, wenn bestimmte Bedingungen eintreten – etwa wenn das Erbbaurecht nicht mehr familienintern gehalten wird oder wirtschaftlich missbraucht wird. Damit bleibt die Immobilie langfristig geschützt.

Auch die Übertragbarkeit des Erbbaurechts ist ein Vorteil. Es kann weiterverkauft, vererbt oder belastet werden, ohne das Grundstück zu gefährden. Gerade Familien mit mehreren Generationen nutzen dies gezielt, um flexible Strukturen zu schaffen, die sich an veränderte Lebensverhältnisse anpassen lassen.

6. Digitalisierung und Bauträgermodelle: Das Erbbaurecht in modernen Strukturen

Das Erbbaurecht erlebt nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in der Immobilienwirtschaft eine Renaissance. Viele Bauträger arbeiten inzwischen mit Erbbaurechten, um Projekte ohne teuren Grundstückserwerb zu realisieren. Stiftungen setzen Erbbaurechte ein, um inflationsstabile Einnahmen zu garantieren. Familienunternehmen vermeiden mit dem Erbbaurecht die Aufspaltung von Grundbesitz.

In der Nachfolgeplanung treffen diese Entwicklungen aufeinander: Neue Bauprojekte können bereits in der zweiten Generation wirtschaftlich umgesetzt werden, ohne dass die Vermögenssubstanz einer Familie geschmälert wird. Grundstücke bleiben gesichert, während moderne Entwicklungsmodelle ermöglicht werden. Damit passt das Erbbaurecht perfekt in eine Zeit, in der Immobilienwerte hoch, aber gleichzeitig flexible und liquide Strukturen gefragt sind.

Fazit

Das Erbbaurecht ist ein mächtiges Werkzeug, das weit über das klassische Miet- oder Pachtmodell hinausgeht. Es ermöglicht ein Bauen und Nutzen ohne Grundstücksverkauf, schafft steuerliche Vorteile, schützt Vermögenssubstanz und bietet eine enorme Flexibilität bei der Gestaltung der Nachfolge.

Wer Familienvermögen ordnen, Liquidität sicherstellen oder Immobilieneigentum langfristig erhalten möchte, findet im Erbbaurecht eine Lösung, die rechtlich stabil, wirtschaftlich durchdacht und steuerlich attraktiv ist. In einer Zeit steigender Immobilienpreise und zunehmender Komplexität privater Vermögen gehört es zu den wichtigsten Bausteinen einer modernen Nachfolgeplanung.

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