Erbschaftsteuer und Unternehmensnachfolge – was wirklich zählt

Die Übergabe eines Unternehmens an die nächste Generation ist mehr als ein rechtlicher Akt – sie ist ein entscheidender wirtschaftlicher Moment. Neben familiären und organisatorischen Fragen steht vor allem die steuerliche Seite im Mittelpunkt: Wie wird das Unternehmen bewertet, welche Steuervergünstigungen gelten und wie lässt sich die Nachfolge so planen, dass das Lebenswerk nicht durch Steuerlast gefährdet wird? Dieser Beitrag zeigt, worauf es bei der Unternehmensnachfolge wirklich ankommt – mit Fokus auf Bewertung, Verschonung und strategische Gestaltung.

1. Bewertung des Unternehmensvermögens – die Grundlage der Steuer

Bevor die Steuerlast berechnet wird, muss der Wert des Unternehmens bestimmt werden. Die Bewertungsvorschriften finden sich in § 12 ErbStG i.V.m. §§ 95 ff. BewG. Sie zielen darauf ab, den gemeinen Wert – also den Marktwert – zu ermitteln. Dabei kommen je nach Art des Vermögens unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.

a) Immobilienvermögen

Grundstücke und Gebäude werden nach dem Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren bewertet:

  • Vergleichswertverfahren (§§ 183 ff. BewG): für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen; Grundlage sind real erzielte Kaufpreise vergleichbarer Objekte.

  • Ertragswertverfahren (§§ 184 ff. BewG): für Mietwohngrundstücke und Geschäftsimmobilien; maßgeblich ist der Reinertrag aus Mieteinnahmen abzüglich Bewirtschaftungskosten, kapitalisiert mit einem festgelegten Zinssatz.

  • Sachwertverfahren (§§ 189 ff. BewG): kommt zur Anwendung, wenn Vergleichs- oder Ertragswerte fehlen; Grundlage sind typisierte Herstellungskosten, die um Altersminderung und regionale Faktoren bereinigt werden.

Beispiel:

Eine vermietete Immobilie erzielt eine Jahresnettokaltmiete von 100.000 €. Nach Abzug der Bewirtschaftungskosten (z. B. 10.000 €) verbleiben 90.000 € Reinertrag. Bei einem Liegenschaftszinssatz von 3,5 % ergibt sich ein kapitalisierter Gebäudewert von ca. 2,57 Mio. €, zuzüglich Bodenwert. Durch das Jahressteuergesetz 2022 haben sich insbesondere die Bewertung von Mietobjekten und die Zinssätze deutlich verändert – was in vielen Fällen zu höheren Steuerwerten führt.

b) Unternehmensbewertung

Für Betriebsvermögen gilt grundsätzlich das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199–203 BewG). Dieses Verfahren schätzt den Unternehmenswert anhand des nachhaltig erzielbaren Ertrags und eines festen Kapitalisierungsfaktors.

Vorgehen:

  1. Ermittlung des durchschnittlichen Jahresertrags der letzten drei Jahre,

  2. Abzug eines angemessenen Unternehmerlohns und außergewöhnlicher Posten,

  3. Multiplikation mit dem Kapitalisierungsfaktor von 13,75 (§ 203 BewG),

  4. Hinzurechnung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens (z. B. ungenutzter Grundbesitz).

Beispiel:

Eine GmbH erzielt einen durchschnittlichen Jahresüberschuss von 300.000 €. Nach Abzug eines Unternehmerlohns von 100.000 € ergibt sich ein Ertragswert von 200.000 €. Multipliziert mit 13,75 ergibt sich ein Unternehmenswert von 2,75 Mio. €. Hinzu kommen ggf. Grundstücke oder Beteiligungen, die gesondert bewertet werden.

Wichtig: Das vereinfachte Verfahren ist praxistauglich, kann aber zu realitätsfernen Werten führen – insbesondere bei konjunkturellen Schwankungen oder Branchenbesonderheiten. Hier lohnt sich oft ein individuelles Gutachten (DCF- oder Multiplikatorenverfahren).

2. Verschonungsregelungen – wie Unternehmen steuerfrei bleiben

Die §§ 13a und 13b ErbStG enthalten spezielle Begünstigungen für Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen sowie Unternehmensanteile. Ziel ist es, die Fortführung von Betrieben zu sichern und eine Liquiditätsbelastung durch die Steuer zu vermeiden.

a) Regelverschonung – 85 % Steuerbefreiung

Bei der Regelverschonung bleiben 85 % des begünstigten Betriebsvermögens steuerfrei (§ 13a Abs. 1 ErbStG). Voraussetzungen:

  • Fortführung des Betriebs für mindestens 5 Jahre,

  • Erhaltung der Lohnsumme: innerhalb der 5 Jahre müssen 400 % der Ausgangslohnsumme erreicht werden (§ 13a Abs. 3 ErbStG),

  • Verwaltungsvermögen darf nicht überwiegen.

Beispiel:

Ein Unternehmen mit 10 Mio. € Betriebsvermögen und 100 Mitarbeitern überträgt der Inhaber auf seine Tochter. Wird die Lohnsumme über fünf Jahre gehalten, bleiben 8,5 Mio. € steuerfrei, nur 1,5 Mio. € sind steuerpflichtig.

b) Optionsverschonung – 100 % Steuerbefreiung

Die Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) ermöglicht vollständige Steuerfreiheit, wenn:

  • das Unternehmen mindestens 7 Jahre fortgeführt wird,

  • die Lohnsumme in dieser Zeit 700 % der Ausgangslohnsumme erreicht,

  • das Verwaltungsvermögen höchstens 20 % beträgt.

Damit belohnt der Gesetzgeber langfristige Unternehmensfortführung. In der Praxis lohnt sich die Optionsverschonung besonders für stabile Familienbetriebe mit geringer Kapitalanlage.

c) Verwaltungsvermögen – die versteckte Falle

Zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen zählen:

  • verpachtete Grundstücke,

  • Beteiligungen unter 25 %,

  • Wertpapiere, Bankguthaben, Kunstgegenstände.

Übersteigt dieses 20 % des Betriebsvermögens, ist die volle Steuerbefreiung ausgeschlossen. Ein Freibetrag von 15 % („Schmutzzuschlag“) bleibt jedoch unschädlich.

Beispiel:

Bei einem Unternehmenswert von 10 Mio. € sind bis zu 1,5 Mio. € Verwaltungsvermögen unschädlich. Liegt der Anteil darüber, fällt die Begünstigung anteilig weg.

3. Strategische Nachfolgeplanung – jetzt handeln, nicht später

Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge beginnt nicht mit dem Erbfall, sondern Jahre davor. Gerade im Mittelstand kann eine vorausschauende Gestaltung mehrere Millionen Euro an Steuerbelastung vermeiden.

a) Zeitliche Staffelung von Übertragungen

Freibeträge nach § 16 ErbStG können alle zehn Jahre erneut genutzt werden. Wer frühzeitig mit Schenkungen beginnt, kann Vermögen schrittweise übertragen und damit mehrfach profitieren.

Beispiel:

Ein Unternehmer überträgt 2024 Unternehmensanteile im Wert von 400.000 € an seine Tochter. Im Jahr 2034 kann er erneut 400.000 € steuerfrei übertragen – insgesamt also 800.000 € steuerfrei.

b) Güterstandsschaukel zwischen Ehegatten

Durch Aufhebung und Neubegründung des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft (§ 5 Abs. 2 ErbStG) können steuerfreie Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten erfolgen. Diese sogenannte Güterstandsschaukel dient der Angleichung der Vermögensverhältnisse – ohne Schenkungsteuer. Lesen Sie hierzu auch unseren eigenen Beitrag Güterstandsschaukel: Steuerfreie Vermögensübertragung zwischen Ehegatten.

c) Kombination von Recht und Strategie

Die Unternehmensnachfolge ist kein rein steuerliches Thema. Gesellschaftsrechtliche Regelungen (Nachfolgeklauseln, Abfindung, Stimmrechte) müssen ebenso beachtet werden wie familienrechtliche und erbrechtliche Fragen. Erst durch die Verzahnung aller Rechtsbereiche entsteht eine tragfähige Nachfolgelösung – steuerlich, rechtlich und menschlich.

Fazit

Die Erbschaftsteuer bei Unternehmensnachfolge ist komplex, aber planbar. Wer den Unternehmenswert realistisch einschätzt, die Verschonungsregeln kennt und frühzeitig gestaltet, kann sein Lebenswerk steuerneutral weitergeben. Die Kunst liegt darin, rechtliche, steuerliche und familiäre Interessen in Einklang zu bringen – und genau dabei unterstützt Schlund Legal Unternehmer und Nachfolger in jeder Phase des Prozesses.

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