Nachfolgeregelungen bei Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) – Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen
Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen in Personengesellschaften (GbR, OHG, KG) ist einer der sensibelsten Punkte der Unternehmensnachfolge. Sie berührt nicht nur Fragen der Gerechtigkeit zwischen Kindern, sondern auch Haftung, Steuerlast, Liquidität und die langfristige Stabilität des Unternehmens.
Ein Grundsatz ist dabei unumstößlich: Gesellschaftsrecht geht vor Erbrecht.
Das bedeutet: Selbst das „beste“ Testament nützt wenig, wenn der Gesellschaftsvertrag etwas anderes regelt oder bestimmte Personen als Nachfolger gar nicht zulässt. Wer ein Familienunternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft in die nächste Generation führen möchte, muss Gesellschaftsvertrag, erbrechtliche Regelung und Steuerkonzept gemeinsam denken – nie nur einen Teil isoliert.
1. Warum Nachfolge in Personengesellschaften so heikel ist
Bei Personengesellschaften sind Gesellschafterstellung und Person eng miteinander verknüpft. Anders als bei der GmbH, wo der Geschäftsanteil eher „dinglich“ gedacht werden kann, gilt hier:
Die Person des Gesellschafters ist wichtig (Mithilfe, Haftung, Verantwortung).
Die Nachfolge wirkt sich häufig direkt auf den laufenden Betrieb aus.
Fehlgestaltungen führen nicht nur zu Streit in der Familie, sondern können die Gesellschaft finanziell überfordern (Abfindungen, Steuern, Finanzierung der weichenden Erben).
Gleichzeitig gilt: In vielen Unternehmerfamilien machen Gesellschaftsanteile und Betriebsvermögen den Großteil des Gesamtvermögens aus. Typische Spannungsfelder:
Ein Kind soll (oder kann) das Unternehmen weiterführen – die anderen wollen „gerecht“ behandelt werden.
Der Ehegatte soll abgesichert sein, aber nicht mit mehreren Miterben in die operative Verantwortung gedrängt werden.
Pflichtteilsrechte, güterrechtliche Ansprüche und steuerliche Effekte laufen quer zu der Frage: Wer soll das Unternehmen tatsächlich führen?
Deshalb lautet der erste Schritt immer: Ziele klären.
Typische Fragen sind etwa:
Soll das Unternehmen als Familienunternehmen weitergeführt werden oder eher als „Investment“ betrachtet werden?
Ist eine klare Ein-Nachfolger-Lösung gewünscht – oder sollen mehrere Kinder beteiligt werden?
Ist die Familie bereit, Fremdmanagement einzusetzen, wenn kein geeigneter Nachfolger vorhanden ist?
Gibt es genug Privatvermögen, um weichende Kinder auszugleichen, ohne die Gesellschaft zu strangulieren?
Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, macht es Sinn, in die Musterwelt von Fortsetzungsklausel, Nachfolgeklausel & Co. einzusteigen.
2. Gesetzliche Grundlagen: Was passiert, wenn nichts geregelt ist?
Das deutsche Gesellschaftsrecht lässt viel Vertragsfreiheit zu. Für die Praxis wichtig: Die gesetzlichen Regeln gelten nur „hilfsweise“ – aber sie sind oft für Familienunternehmen unpassend.
2.1 GbR
Für die GbR gilt – insbesondere im Lichte des MoPeG:
Früher führte der Tod eines Gesellschafters grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft und zur Abwicklung (Liquidation).
Nach neuer Rechtslage (ab 1.1.2024) ist der Tod eines Gesellschafters ein Ausscheidensgrund, die Gesellschaft kann grundsätzlich fortgesetzt werden – aber: Die Nachfolge muss vertraglich sauber geregelt werden.
Ohne konkrete Nachfolgeklausel drohen:
Liquidationsszenarien mit steuerlich unschönen Gewinnrealisierungen,
oder Strukturen, die mit den tatsächlichen Vorstellungen der Familie nicht übereinstimmen.
2.2 KG und OHG
Hier lohnt der Blick auf zwei Ebenen:
Kommanditisten (KG)
Der Kommanditanteil ist vererblich (§ 177 HGB).
Bei mehreren Erben kommt es zur sogenannten Sondererbfolge: Nicht eine Erbengemeinschaft wird Gesellschafter, sondern jeder Erbe selbst wird mit einer Quote Kommanditist.
Das klingt zunächst gut, ist in der Praxis aber oft problematisch: Plötzlich sitzen mehrere, teilweise unerfahrene oder zerstrittene Miterben als Gesellschafter am Tisch.
Persönlich haftende Gesellschafter (OHG, Komplementär einer KG)
Der Tod des Komplementärs führt nicht zur Auflösung, aber zum Ausscheiden des Gesellschafters.
Gesetzlich vorgesehen ist ein Abfindungsanspruch zum Verkehrswert (§ 738 BGB i.V.m. HGB).
Und genau hier liegt ein Kernrisiko: Ein Abfindungsanspruch zum Verkehrswert kann die Liquidität der Gesellschaft massiv belasten – und zusätzlich steuerliche Konsequenzen (Gewinnrealisierung, Einkommensteuer) nach sich ziehen.
Ergebnis: Das gesetzliche Leitbild passt fast nie zu dem, was Familienunternehmer wirklich wollen. Deswegen braucht es Regelungen.
3. Typische Ziele der Unternehmerfamilie
Bevor wir in die Klauseltechnik einsteigen, ist es hilfreich, typische Zielkonflikte klar zu benennen:
Unternehmensschutz vs. Gerechtigkeit
Ein klarer Nachfolger sichert Führungsstruktur und Handlungsfähigkeit.
Gleichzeitig wollen Eltern oft „alle Kinder gleich behandeln“.
Liquidität vs. Abfindung
Hohe Abfindungsansprüche der weichenden Erben können das Unternehmen strangulieren.
Regelungen, die Abfindungen reduzieren oder ausschließen, müssen sauber gestaltet sein (Stichwort Schenkungsrecht, Pflichtteilsrecht, Steuerrecht).
Steueroptimierung vs. Flexibilität
Strenge Nachfolgeklauseln sichern steuerliche Vorteile (Betriebsvermögensprivileg),
schränken aber die Beweglichkeit der Familie ein, insbesondere bei unerwarteten Lebensverläufen (Scheidung, Krankheit, Untauglichkeit des Wunsch-Nachfolgers).
Konfliktvermeidung
Streit unter Geschwistern oder zwischen Generationen ist für das Unternehmen oft gefährlicher als Steuern.
Gesellschaftsverträge sollten deshalb Konfliktlösungsmechanismen enthalten (Beirat, Schiedsklauseln, Deadlock-Regeln).
4. Vertragliche Nachfolgeregelungen – die wichtigsten Klauseltypen
Im Kern geht es darum, zwei Fragen vertraglich zu beantworten:
Wer kann bzw. soll Gesellschafter werden?
Mit welchen Rechtsfolgen für Erben, weichende Angehörige und die Gesellschaft?
Die wichtigsten Klauseltypen sind:
Fortsetzungsklausel
einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel
qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel
rechtsgeschäftliche Eintrittsklausel
rechtsgeschäftliche / „gesellschaftsvertragliche“ Nachfolgeklauseln
4.1 Fortsetzungsklausel – heute eher Ausnahme
Bei der Fortsetzungsklausel wird geregelt: „Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt.“
Konsequenzen:
Die Erben treten nicht ein.
Sie haben lediglich einen Abfindungsanspruch (häufig gesellschaftsvertraglich reduziert).
Der Gesellschaftsanteil ist der erbrechtlichen Verfügungsmacht entzogen – der Erblasser kann diesen Anteil nur mittelbar über den Abfindungsanspruch steuern.
Für Familienunternehmen bedeutet das meist:
keine echte Unternehmensnachfolge in die nächste Generation,
sondern ein „Herauskaufen“ der Familie dieses Gesellschafters.
Daher: Fortsetzungsklauseln sind interessant, wenn die Gesellschaft bewusst personenbezogen sein soll oder keine Familiennachfolge gewünscht ist. Für klassische Familienunternehmen sind sie meistens nicht erste Wahl.
4.2 Einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel – vererblich, aber zersplittert
Formelhaft lautet sie etwa: „Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit seinen Erben bzw. Vermächtnisnehmern fortgesetzt.“
Konsequenzen:
Die Gesellschafterstellung ist vererblich.
Mehrere Erben führen zu Sondererbfolge: jeder wird direkt Mitgesellschafter.
Eine Erbengemeinschaft als Gesellschafter wird vermieden – was grundsätzlich sinnvoll ist.
Problematisch ist:
Zersplitterung der Beteiligung auf viele Hände,
Abstimmungsprobleme, Blockaden, Interessenkonflikte,
schwierige Entscheidungsprozesse, insbesondere bei familieninternen Konflikten.
Diese Klausel ist deshalb allenfalls für Konstellationen mit einem einzigen oder sehr wenigen klaren Erben geeignet – ansonsten droht organisatorisches Chaos.
4.3 Qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel – das „Familienunternehmens-Werkzeug“
Hier wird der Kreis der nachfolgeberechtigten Personen bewusst beschränkt – etwa auf
Abkömmlinge in gerader Linie,
nur bestimmte Stämme,
nur eine Person (Ein-Nachfolger-Lösung),
oder Personen mit bestimmten Qualifikationen (z.B. Ausbildung, Berufserfahrung).
Beispielhafte Konsequenzen:
Die Gesellschaft wird nur mit bestimmten Personen fortgesetzt.
Nicht nachfolgeberechtigte Erben erhalten keine Gesellschafterstellung, sondern ggf. nur Ausgleichsansprüche (erbrechtlich, nicht gesellschaftsrechtlich).
Der Gesellschaftsanteil bleibt in einer Hand oder in engem Kreis – das ist für unternehmerische Klarheit Gold wert.
Wichtig:
Die qualifizierte Nachfolgeklausel schafft nur die gesellschaftsrechtliche Möglichkeit,
das Testament bzw. der Erbvertrag muss dafür sorgen, dass genau diese Person auch Erbe oder Vermächtnisnehmer wird.
Typischer Gestaltungsfehler:
Gesellschaftsvertrag: „Nachfolger sollen nur Abkömmlinge sein.“
Testament: Ehefrau wird Alleinerbin.
Folge: Ehefrau wird nicht Gesellschafterin, sondern hat nur einen Abfindungsanspruch – oft weit unter Verkehrswert, steuerlich ungünstig und wirtschaftlich unerwünscht.
Hinzu kommt: Sonderbetriebsvermögen (z.B. Betriebsgrundstück im Privatvermögen) muss ebenfalls auf den qualifizierten Nachfolger übergehen, sonst drohen steuerliche Entnahmegewinne.
4.4 Rechtsgeschäftliche Eintrittsklausel – in der Regel mit Vorsicht zu genießen
Die Idee:
Ein bestimmter Dritter (oft ein Kind, oft ein Mitarbeiter) erhält ein Recht auf Eintritt in die Gesellschaft.
Der Eintritt erfolgt nicht automatisch durch den Erbfall, sondern durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden mit den verbleibenden Gesellschaftern.
Probleme:
Die Erben haben Abfindungsansprüche - steuerliche Gewinnrealisierung.
Der Eintrittsberechtigte muss ggf. die Einlage leisten – zusätzliche Liquiditätsbelastung.
Es kann zu einem zähen Ringen kommen, ob der Eintritt tatsächlich vollzogen wird.
Solche Klauseln können Sinn machen in sehr speziellen Konstellationen (z.B. Mitarbeiter-Nachfolge), müssen aber in steuerlicher und finanzieller Hinsicht extrem sorgfältig abgestimmt werden.
4.5 Rechtsgeschäftliche / „gesellschaftsvertragliche“ Nachfolgeklauseln
Hier wird im Gesellschaftsvertrag direkt mit dem Nachfolger und dem Erblasser vereinbart, dass der Anteil unmittelbar und endgültig auf den Nachfolger übergeht – quasi eine Zuwendung unter Lebenden auf den Todesfall.
Die theoretische Idee ist klar, die Praxis jedoch:
formelle und steuerliche Unsicherheiten,
schwierige Abgrenzung zu erbrechtlichen Gestaltungen,
kaum erprobte Standardmuster.
Deshalb kommen solche Klauseln in der Praxis nur sehr selten zum Einsatz.
5. Steuerliche Fallstricke – warum „Abfindung“ nie nur zivilrechtlich ist
Jede Nachfolgeklausel hat steuerliche Nebenwirkungen. Besonders heikel:
Ertragsteuer
Auflösung stiller Reserven bei Ausscheiden und Abfindung,
Entnahmebesteuerung bei Sonderbetriebsvermögen,
Veräußerungsgewinne nach § 16 EStG.
Erbschaftsteuer
Betriebsvermögensprivileg nach §§ 13a, 13b ErbStG kann verloren gehen,
Abfindungsansprüche werden oft nicht wie begünstigtes Betriebsvermögen behandelt,
die Struktur kann dazu führen, dass innerhalb der Familie schlicht Vermögen „verheizt“ wird.
Finanzierung und Liquidität
Ausgleichs- und Abfindungszahlungen müssen finanziert werden,
Kreditaufnahme und Belastung der Gesellschaft können den Handlungsspielraum massiv einschränken.
Deshalb ist es zwingend, dass Gesellschaftsvertrag, Testament / Erbvertrag und steuerliches Konzept gemeinsam entwickelt werden – idealerweise in enger Abstimmung von Rechtsanwalt und Steuerberater.
6. Konfliktvermeidung und Familienfrieden
Technik allein reicht nicht. Gut gestaltete Nachfolgeregelungen berücksichtigen, dass sich Menschen verändern:
Der „Wunsch-Nachfolger“ lässt nach der Stabübergabe nach – oder hat andere Lebenspläne.
Neue Partner, Patchwork-Situationen oder Konflikte zwischen Geschwistern verändern die Dynamik.
Ältere Generationen tun sich schwer, Kontrolle abzugeben.
Praktische Instrumente zur Konfliktprävention sind unter anderem:
Familientage oder Familienversammlungen mit moderierter Aussprache,
eine Familienverfassung, die Grundwerte und Spielregeln festhält,
ein Familien- oder Unternehmensbeirat als neutralere Instanz,
Schiedsklauseln und klare Konfliktlösungsmechanismen im Gesellschaftsvertrag.
Fazit: Gesellschaftsrecht, Erbrecht und Steuerrecht in Einklang bringen
Nachfolgeregelungen bei Personengesellschaften sind kein „Randthema“, das man nebenbei mit einer Testamentsergänzung erledigt. Sie entscheiden häufig über:
die Fortführung des Unternehmens,
die Belastung durch Steuern und Abfindungen,
und den Frieden in der Familie.
Wer hier frühzeitig, offen und ganzheitlich plant sowie Gesellschaftsrecht, Erbrecht und Steuerrecht in Einklang bringt, kann
das Unternehmen stabil in die nächste Generation führen,
weichende Erben fair behandeln,
den Ehegatten absichern und gleichzeitig steuerliche Fallstricke vermeiden.