Erbvertrag – was ist das genau?

Der Erbvertrag ist so etwas wie die „notariell versiegelte“ Variante der Nachlassplanung. Anders als ein Testament, das der Erblasser jederzeit einseitig ändern oder widerrufen kann, schafft ein Erbvertrag eine verbindliche Absprache zwischen dem Erblasser und mindestens einer weiteren Person. Diese Bindung kann gewollt sein – etwa um einem Nachfolger Planungssicherheit zu geben –, sie kann aber später auch als Korsett empfunden werden, wenn sich Vermögen, Familie oder Lebenspläne ändern.

Kurz gesagt:
Ein Erbvertrag ist eine notarielle Vereinbarung über Erbeinsetzung, Vermächtnisse oder Auflagen, die den Erblasser in seiner Testierfreiheit ganz bewusst einschränkt und dem Bedachten eine besonders gesicherte Aussicht auf den Nachlass verschafft.

1. Erbvertrag oder Testament – wann kommt was in Betracht?

Vor jeder Gestaltung stellt sich die Grundsatzfrage: Reicht ein Testament – oder braucht es einen Erbvertrag?

Ein Testament (Einzeltestament oder gemeinschaftliches Ehegattentestament) ist flexibel, jederzeit widerruflich und eignet sich, wenn der Erblasser sich bewusst ein Maximum an Beweglichkeit erhalten möchte.

Ein Erbvertrag wird interessant, wenn Bindung gewollt ist, also wenn bestimmte Personen sich auf eine Nachfolgeregelung verlassen können sollen – zum Beispiel:

  • wenn der Erblasser verbindlich festlegen will, wer später das Unternehmen übernimmt,

  • wenn Dritte (z. B. Lebensgefährte, Pflegeperson, nicht verwandte Personen) in die Nachlassplanung einbezogen werden sollen,

  • wenn Partner nicht verheiratet sind und trotzdem gemeinsam und verbindlich über den Nachlass verfügen möchten,

  • wenn bereits zu Lebzeiten klare, rechtlich abgesicherte Zusagen gemacht werden sollen (z. B. „Du pflegst mich – ich setze dich als Erben ein“).

Der große Unterschied: Ein Testament kann der Erblasser zu Lebzeiten einseitig widerrufen. Ein Erbvertrag kann in seinen vertragsmäßigen Verfügungen (also den bindenden Regelungen) nur noch gemeinsam oder unter engen gesetzlichen Voraussetzungen „aufgebrochen“ werden. Gerade in der Unternehmensnachfolge oder in langjährigen Lebensgemeinschaften ist diese Verbindlichkeit ausdrücklich gewollt.

2. Was steht in einem Erbvertrag – und wer kann mitmachen?

Der Erbvertrag ist kein beliebiger Vertrag, sondern eine Sonderform des Vertrages mit höchstpersönlichen Verfügungen von Todes wegen. Inhaltlich geht es dabei um typische erbrechtliche Bausteine:

Vertragsmäßig bindend können insbesondere geregelt werden:

  • Erbeinsetzungen (z. B. „meine Tochter wird Alleinerbin“),

  • Vermächtnisse (z. B. „mein Sohn erhält das Mietshaus in der X-Straße als Vermächtnis“),

  • Auflagen (z. B. Pflegeverpflichtungen, Grabpflege, Fortführung eines Unternehmens),

  • die Wahl des anzuwendenden Erbrechts (z. B. deutsches Heimatrecht bei Auslandsbezug).

Nur diese „vertragsmäßigen“ Verfügungen entfalten die typische Bindungswirkung eines Erbvertrages. Daneben kann der Erbvertrag – genau wie ein Testament – weitere, einseitige Verfügungen enthalten (z. B. Enterbung, Teilungsanordnungen, Testamentsvollstreckung). Diese bleiben widerruflich und sind rechtlich wie ein Testamentsteil zu behandeln.

Wer kann an einem Erbvertrag beteiligt sein?

  • ein oder mehrere Erblasser,

  • Vertragspartner, die selbst etwas versprechen oder nur begünstigt werden,

  • Ehegatten, Lebenspartner, aber auch nicht verheiratete Paare,

  • fremde Dritte (z. B. Pflegepersonen, Unternehmensnachfolger, Geschäftspartner).

Wichtig:

Ein Erbvertrag muss mindestens eine vertragsmäßige Verfügung enthalten. Besteht er nur aus einseitigen, jederzeit widerruflichen Verfügungen, ist er im Ergebnis rechtlich nur ein notarielles Testament – ohne besondere Bindungswirkung.

3. Wie stark bindet ein Erbvertrag wirklich?

Die Bindungswirkung ist das Herzstück des Erbvertrages – aber sie wird häufig falsch verstanden.

Mit Abschluss eines Erbvertrages verpflichtet sich der Erblasser, seine vertragsmäßig geregelten Verfügungen erbrechtlich nicht mehr einfach zu ändern. Das heißt:

  • Er kann später kein wirksames Testament errichten, das die Rechte des Vertragserben oder Vermächtnisnehmers beeinträchtigt. Solche späteren Verfügungen sind insoweit unwirksam.

  • Frühere Testamente werden insoweit aufgehoben, als sie mit dem Erbvertrag unvereinbar sind.

Wichtig:

Seine wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Vermögen behält der Erblasser grundsätzlich. Er kann zu Lebzeiten weiterhin Vermögen veräußern oder verschenken – allerdings greifen dann zum Schutz des Vertragserben spezielle Vorschriften, insbesondere:

  • § 2287 BGB: Herausgabe oder Wertersatz bei „böswilligen“ Schenkungen,

  • § 2288 BGB: Schutz des erbvertraglich bedachten Vermächtnisnehmers.

Damit erhält der Vertragserbe zwar keine starre Anwartschaft auf einzelne Gegenstände, aber eine deutlich bessere Rechtsposition als ein „normaler“ Testamentserbe.

4. Form: Warum geht Erbvertrag nur mit Notar?

Im Gegensatz zum Testament, das in vielen Fällen eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden kann, ist der Erbvertrag immer notariell zu beurkunden (§ 2276 BGB). Das hat mehrere Gründe:

  • Die Bindungswirkung ist erheblich – hier soll ein Notar belehren und dokumentieren.

  • Alle vertragsschließenden Erblasser müssen persönlich erscheinen; Vertretung ist insoweit unzulässig.

  • Andere Beteiligte (z. B. ein bedachter Dritter, der sich zu einer Leistung verpflichtet) können vertreten werden, auch juristische Personen.

Der Erbvertrag kann – ähnlich wie ein notarielles Testament – in die amtliche Verwahrung gegeben werden, muss es aber nicht. Wird ein reiner Erbvertrag aus der Verwahrung zurückgenommen, gelten die darin enthaltenen vertragsmäßigen Verfügungen grundsätzlich als aufgehoben; die einseitigen Verfügungen gelten als widerrufen. Das ist ein juristisch „starker Hebel“ und sollte nie unüberlegt genutzt werden.

5. Einseitiger, gegenseitiger, gemeinschaftlicher Erbvertrag

In der Praxis begegnen vor allem drei Grundformen:

  1. Einseitiger Erbvertrag
    Nur der Erblasser trifft bindende Verfügungen (z. B. Erbeinsetzung eines Dritten). Der Vertragspartner kann – muss aber nicht – Gegenleistungen erbringen (z.B. Pflege, Unterhalt). Er selbst trifft keine bindenden letztwilligen Verfügungen.

  2. Zweiseitiger / gegenseitiger Erbvertrag
    Mehrere Personen (oft Ehegatten oder Partner) treffen jeweils bindende Verfügungen und bedenken sich eventuell gegenseitig. Hier wird eine innere Abhängigkeit („Wechselbezüglichkeit“) vermutet – ähnlich wie beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament, nur mit noch stärkerer vertraglicher Prägung.

  3. Erbvertrag in nichtehelicher Lebensgemeinschaft
    Für nicht verheiratete Paare ist ein gemeinschaftliches Testament nicht möglich. Wer gemeinsam verbindlich testieren möchte, muss den Weg über einen Erbvertrag gehen – regelmäßig mit Rücktritts- oder Änderungsvorbehalten, um zu viel Starrheit zu vermeiden.

6. Erbvertrag in der Unternehmensnachfolge

Gerade in der Unternehmensnachfolge ist der Erbvertrag ein strategisches Schlüsselinstrument. Banken, Investoren und Geschäftspartner interessieren sich zunehmend dafür, ob der Unternehmensinhaber seine Nachfolge rechtssicher geregelt hat. Ein rein widerrufliches Testament schafft hier oft zu wenig Verlässlichkeit.

Der Erbvertrag kann:

  • einen klar definierten Unternehmensnachfolger (z.B. eines von mehreren Kindern oder einen fremden Dritten) verbindlich als Erben oder Vermächtnisnehmer des Unternehmensanteils vorsehen,

  • mit gesellschaftsrechtlichen Regelungen (z.B. im GmbH- oder KG-Vertrag) abgestimmt werden,

  • durch lebzeitige Vollmachten, Pflichtteilsverzichtsverträge, Eheverträge und Verfügungsunterlassungsverträge flankiert werden.

Wichtig:

Gesellschaftsvertrag und Erbvertrag müssen zusammenpassen. Es nützt nichts, wenn im Erbvertrag ein Kind als Unternehmensnachfolger vorgesehen ist, der Gesellschaftsvertrag aber nur Ehegatten als Nachfolger zulässt. Solche Brüche führen im Ernstfall zu massiven Konflikten oder sogar zum Scheitern der Nachfolge.

7. Wie flexibel ist ein Erbvertrag – kann man ihn wieder „loswerden“?

Trotz Bindungswirkung ist ein Erbvertrag kein lebenslanges Gefängnis. Das Gesetz kennt mehrere Korrekturmechanismen:

  • Aufhebung im Einvernehmen aller Vertragsbeteiligten (notariell),

  • Rücktrittsrechte, wenn sie ausdrücklich vorbehalten wurden oder gesetzlich vorgesehen sind (z.B. bei schweren Verfehlungen des Bedachten oder aufgehobenen wiederkehrenden Leistungen),

  • Anfechtung wegen Irrtums, Drohung oder Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten,

  • Änderungsvorbehalte, die im Vertrag vereinbart werden (aber kein „Totalvorbehalt“, der den Erbvertrag inhaltslos machen würde),

  • Zustimmung des Bedachten zu bestimmten abweichenden Verfügungen (notariell).

Trotzdem: Ein Erbvertrag ist deutlich schwerer zu korrigieren als ein Testament. Die Entscheidung für einen Erbvertrag sollte deshalb immer bewusst getroffen, sorgfältig begründet und sauber dokumentiert werden.

Fazit

Ein Erbvertrag ist besonders interessant für:

  • Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre Nachfolge planbar und verbindlich regeln möchten,

  • nicht verheiratete Paare, die eine gemeinsame, verlässliche Nachlassplanung wünschen,

  • Konstellationen, in denen Dritte (Pflegepersonen, Stiefkinder, Lebensgefährten, Geschäftspartner) sicher eingebunden werden sollen,

  • Familien, in denen die Rechtsklarheit für alle Beteiligten wichtiger ist als maximale Flexibilität des Erblassers.

Wer sich für einen Erbvertrag entscheidet, holt damit die Nachfolgeplanung bewusst „aus der losen Ecke“ heraus und schafft klare, verbindliche Strukturen – gerade in Kombination mit gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen und steuerlicher Beratung.

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