Bewertung von Betriebsimmobilien bei Unternehmensnachfolge
Die Bewertung von Betriebsimmobilien ist einer der entscheidendsten Punkte bei der steuerlichen Unternehmensnachfolge. In vielen mittelständischen Betrieben – insbesondere bei Handwerksbetrieben, Arztpraxen, Familienunternehmen oder produzierenden Gewerben – macht das Betriebsgrundstück einen erheblichen Anteil des Unternehmenswerts aus. Eine realistische, rechtssichere Bewertung ist daher die Grundlage für jede steueroptimierte Übergabe.
1. Bewertungsgrundlagen nach dem Bewertungsgesetz (BewG)
Die Ermittlung des Werts von Betriebsimmobilien erfolgt nach den §§ 177 ff. BewG, in Verbindung mit § 12 Abs. 3 ErbStG. Ziel ist die Feststellung des sogenannten gemeinen Werts, also des Werts, der bei einem Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte. Je nach Art der Immobilie kommen unterschiedliche Verfahren zur Anwendung:
Bodenrichtwertverfahren
Vergleichswertverfahren
Ertragswertverfahren
Sachwertverfahren
2. Ertragswertverfahren – für gewerblich genutzte Mietobjekte
Beim Ertragswertverfahren steht die wirtschaftliche Nutzung im Mittelpunkt. Es wird angewendet, wenn das Objekt regelmäßig Erträge (z. B. Mieten oder Pachten) abwirft.
Vorgehensweise:
Ermittlung der Jahresnettokaltmiete oder üblichen Miete,
Abzug der Bewirtschaftungskosten (Instandhaltung, Verwaltung, Mietausfallwagnis),
Berechnung des Reinertrags,
Abzug der Bodenwertverzinsung,
Multiplikation des verbleibenden Gebäudereinertrags mit dem gesetzlich vorgegebenen Kapitalisierungsfaktor (abhängig von der Restnutzungsdauer und dem Liegenschaftszinssatz).
Beispiel:
Ein gemischt genutztes Gebäude (Büros und Werkstatt) erzielt jährliche Mieteinnahmen von 180.000 €. Nach Abzug der Bewirtschaftungskosten von 25.000 € verbleibt ein Reinertrag von 155.000 €. Der Bodenwert (nach Bodenrichtwertkarte) beträgt 600.000 €, der Liegenschaftszinssatz 3,5 %.
Bodenwertverzinsung: 600.000 € × 3,5 % = 21.000 €
Gebäudereinertrag: 155.000 € – 21.000 € = 134.000 €
Kapitalisierungsfaktor (Restnutzungsdauer 40 Jahre): ca. 23,46
Gebäudeertragswert = 134.000 € × 23,46 = 3.145.000 €
Gesamtwert (mit Boden): 3.745.000 €
Das Jahressteuergesetz 2022 hat die Bewertungsparameter angepasst:
der Liegenschaftszinssatz wurde gesenkt (von 5 % auf 3,5 %),
die Bewirtschaftungskosten werden nun progressiv statt pauschal ermittelt.
In der Folge steigen die steuerlichen Werte für viele Mietobjekte um 30–50 %. Für Unternehmer bedeutet das: höhere Bemessungsgrundlagen – und damit potenziell höhere Erbschaft- oder Schenkungsteuer, sofern keine Verschonungsregel greift.
3. Sachwertverfahren – für eigengenutzte Betriebsimmobilien
Eigengenutzte Betriebsgebäude (z. B. Werkstätten, Lagerhallen, Produktionsstätten) werden nach dem Sachwertverfahren bewertet, weil sie typischerweise keine marktüblichen Erträge abwerfen.
Berechnungsschritte:
Bodenwert anhand des Bodenrichtwerts (§ 179 BewG),
Gebäudewert auf Basis der Regelherstellungskosten nach Anlage 24 BewG,
Alterswertminderung je nach Baujahr und Gesamtnutzungsdauer (§ 190 Abs. 2 BewG),
Multiplikation mit einer Wertzahl zur Marktanpassung (§ 191 BewG).
Beispiel:
Ein Produktionsgebäude (6.000 m² BGF, mittlerer Standard, Baujahr 1990) hat:
Bodenwert: 800.000 €
Herstellungskosten: 950 €/m² → 5.700.000 €
Alterswertminderung: 70 % → Gebäudewert 1.710.000 €
Sachwert vor Marktanpassung: 2.510.000 €
Marktanpassung über Wertzahl 0,73 → gemeiner Wert: 1.830.000 €
Auch hier führen die Änderungen durch das JStG 2022 zu höheren Werten – insbesondere durch Regionalfaktoren und angehobene Wertzahlen für hochpreisige Lagen.
4. Bedeutung für die Unternehmensnachfolge
Die Bewertung von Betriebsimmobilien wirkt sich direkt auf:
den Gesamtwert des Betriebsvermögens,
die Höhe der Erbschaftsteuer,
und die Anwendbarkeit der Verschonungsregelungen (§§ 13a, 13b ErbStG) aus.
Wird der Wert zu hoch angesetzt, kann dies die 20 %-Grenze für Verwaltungsvermögen überschreiten und die Steuerbefreiung gefährden. Deshalb ist es oft sinnvoll, ein eigenes Verkehrswertgutachten oder eine bewertungstechnische Stellungnahme einzuholen – insbesondere, wenn:
das Grundstück Sondernutzungen aufweist (z. B. Tankstelle, Agrarbetrieb, Solarpark),
ein Teil vermietet, ein Teil selbst genutzt wird,
oder betriebsnotwendige und nicht betriebsnotwendige Teile getrennt werden müssen.
Tipp:
Bei jeder geplanten Unternehmensnachfolge sollte die Betriebsimmobilie gesondert bewertet werden – idealerweise zwei bis drei Jahre vor der Übertragung. So lassen sich steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten rechtzeitig erkennen (z. B. Teilung von Flächen, Verpachtung an Nachfolger, Übertragung auf Ehegatten oder Holdingstruktur).
5. Trennung von Betriebs- und Privatvermögen
Häufig sind Immobilien im Privatvermögen des Unternehmers. Eine klare Zuordnung ist entscheidend, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden.
Fazit
Die korrekte Bewertung von Betriebsimmobilien entscheidet häufig über die Frage, ob eine Unternehmensnachfolge steuerneutral oder steuerbelastet erfolgt. Sie ist daher kein formaler Nebenaspekt, sondern ein zentraler Baustein jeder Nachfolgeplanung. Ein interdisziplinärer Ansatz – juristisch, steuerlich und bewertungstechnisch – sorgt dafür, dass Vermögen nicht unnötig besteuert, sondern generationenübergreifend erhalten wird.