Erbengemeinschaft vermeiden: Wie rechtzeitige Schenkungen helfen
Erbengemeinschaften sind Zwangsgemeinschaften: Alle entscheiden gemeinsam – und genau das produziert Konflikt, Verzögerung und Kosten. Wer Streit vermeiden will, beginnt zu Lebzeiten: Vermögenswerte strukturiert übertragen, Ausgleich und Anrechnung sauber regeln, und mit einer klaren letztwilligen Verfügung die Auseinandersetzung vorzeichnen.
1) Lebzeitige Maßnahmen: Ordnung schaffen, bevor es knirscht
Rechtsgeschäfte zwischen künftigen Miterben
Nicht nur der Erblasser kann vorsorgen. Künftige gesetzliche Erben dürfen untereinander notariell bindende Abreden zu ihrem späteren Erb- oder Pflichtteilsrecht treffen (§ 311b Abs. 5 BGB). Sinnvoll sind z. B.:
Wertfestsetzungen für bestimmte Vermögensgegenstände (Immobilie, Unternehmen, Depot),
Ausgleichungsvereinbarungen (wer hat was erhalten, zu welchem Stichtag?),
Erbteilskauf / -übernahme für klare Beteiligungsverhältnisse nach dem Erbfall.
Diese Verträge wirken zunächst schuldrechtlich; der dingliche Vollzug erfolgt nach Eintritt des Erbfalls. Vorteil: Erwartungen sind transparent, spätere Bewertungen und Preisdebatten entfallen.
Übergabeverträge (vorweggenommene Erbfolge)
Die lebzeitige Übertragung – oft mit Nießbrauch oder Wohnrecht – nutzt Freibeträge und entschärft spätere Pflichtteilsstreitigkeiten (Abschmelzung § 2325 Abs. 3 BGB). Wichtig ist die Balance zwischen Steuer- und Friedenseffekten sowie der Altersabsicherung der Übergeber.
Praktische Stellschrauben:
Anrechnung auf den Pflichtteil des Übernehmers: „Die Zuwendung ist mit ihrem heutigen Verkehrswert auf Pflichtteilsrechte anzurechnen.“ So wird ein „Mehr“ heute nicht morgen erneut eingeklagt.
Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht des weichenden Geschwisterteils (aufs übergebene Objekt), bedingte Wirksamkeit erst nach Zahlung vereinbarter Ausgleichsbeträge.
Gleichstellungsvereinbarung, wenn alle Kinder mitwirken und (nahezu) gleich bedacht werden: „Wir sehen uns hinsichtlich bisheriger und heutiger Zuwendungen als gleichgestellt und machen insoweit künftig keine Ausgleichung geltend.“
So entstehen klare Spielregeln, dokumentiert und vollziehbar – statt späterer Grundsatzdebatten „wer wann was bekommen hat“.
2) Letztwillige Verfügungen: Auseinandersetzung vorzeichnen
Testamentsvollstreckung
Ein Testamentsvollstrecker nimmt den Erben die streitträchtigen Aufgaben ab: Verwaltung, Bewertung, Verwertung, Auseinandersetzungsplan. Wer keine Vollstreckung will, kann eine Vertrauensperson mit der Erstellung des Teilungsplans „nach billigem Ermessen“ betrauen – weniger Eingriff, aber klare Moderation.
Teilungsanordnungen
Mit Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB) gibt der Erblasser den Rahmen vor: Wer erhält welches Objekt – unter Anrechnung auf den Erbteil. Das schafft Richtung. Wenn die Übernahmepflicht zu hart ist, formuliert man die Anordnung als Übernahmerecht: Der Begünstigte „kann“, muss aber nicht – ohne Druckmittel der Geschwister.
Vorausvermächtnisse
Wo Werte nicht exakt gleich sind, glättet das Vorausvermächtnis Differenzen („Mehrwert“ als Zusatz zum Erbteil). Richtig eingesetzt, ersetzt es nicht Gerechtigkeit – es kalibriert sie.
Schiedsklauseln & Gutachterklauseln
Für Konflikte mit Tempo- und Fachfokus: Schiedsklausel (wo zulässig) oder Gutachterklausel für Wertfragen. So wird nicht über den Gutachter gestritten, sondern mit ihm gelöst. (Pflichtteilstreitigkeiten sind nicht schiedsfähig.)
3) Typische Setups aus der Praxis
Ein Kind erhält das Haus, Geschwister erhalten Ausgleichszahlungen – kombiniert mit Anrechnung beim Empfänger und beschränktem Pflichtteilsverzicht beim weichenden Kind.
Unternehmen bleibt einheitlich: lebzeitige Übertragung an den Nachfolger mit Nießbrauch / Bezügen für die Eltern, Gleichstellungsvermächtnisse im Testament für die Geschwister, Testamentsvollstreckung zur Sicherung der Handlungsfähigkeit.
Gemischtes Vermögen: Staffel-Schenkungen im 10-Jahres-Takt (Freibeträge), im Testament Teilungsanordnung und Ausgleichsmechanik; Gutachter- oder Schiedsklausel für Bewertungsfragen.
4) Checkliste „Keine Erbengemeinschaft im Streitmodus“
Bestandsaufnahme & Bewertung (heute, nicht gefühlt).
Lebzeitige Übertragungen mit Vorbehalten, Anrechnungs- und Ausgleichungsklauseln.
Erbenabreden der Kinder (notariell): Werte, Ausgleich, ggf. Erbteilskauf.
Testament mit Teilungsanordnung / Vorausvermächtnis und – wo sinnvoll – Testamentsvollstreckung.
Klauseln gegen Blockaden: Gutachter / Schiedsklausel, klare Fristen, digitale Kommunikation.
Notfallhandlungsfähigkeit: Vorsorge-, Bank- und Vertretungsvollmachten, Gesellschafts- und Stimmrechtsvollmachten.
Dokumentation & jährlicher Check-up (Werte ändern sich – die Logik bleibt, die Zahlen nicht).
Fazit
Ein gutes Testament hilft – aber die Auseinandersetzung bleibt. Mit Übergabeverträgen und Erbenabreden nehmen Sie das Konfliktpotenzial vorweg. Den Pflichtteil steuern Sie durch frühzeitige Schenkungen (Abschmelzung), Anrechnungs-/Ausgleichungsklauseln und – je nach Fall – (beschränkte) Pflichtteilsverzichte gegen fairen Ausgleich.
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