Gestaltungsmöglichkeiten in der Zugewinngemeinschaft: Substanz schützen, Steuern nutzen, Streit vermeiden

Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand – und zugleich ein mächtiges Gestaltungsinstrument. Wer sie bewusst formt, kann private Vermögen und Unternehmenswerte schützen, die Versorgung des Ehepartners sichern und erbschaftsteuerliche Vorteile erschließen. Der Schlüssel liegt darin, früh zu planen, klar zu dokumentieren und zivil- wie steuerrechtliche Folgen stets gemeinsam zu denken.

Ausgangspunkt: Warum gestalten?

Im Alltag wird der Güterstand oft nur unter dem Scheidungsgesichtspunkt betrachtet. Tatsächlich endet eine Ehe jedoch ebenso häufig durch Tod – und genau dort entfaltet die Zugewinngemeinschaft eine steuerliche Sonderrolle: Beim Todesfall bleibt der (fiktive) Zugewinnausgleich grundsätzlich erbschaftsteuerfrei. Das macht sie der Gütertrennung regelmäßig überlegen. Wer allerdings einfach „laufen lässt“, verschenkt Gestaltungspotenzial. Maßgeschneiderte Eheverträge und ergänzende gesellschaftsvertragliche Klauseln erlauben es, Risiken bei Scheidung zu begrenzen, ohne den steuerlichen Vorteil im Todesfall preiszugeben.

Der steuerliche Dreh- und Angelpunkt: Fiktiver vs. güterrechtlicher Ausgleich

Erbrechtlich und steuerlich ist zu unterscheiden: Stirbt ein Ehegatte und der Überlebende nimmt die Erbschaft an, greift regelmäßig der fiktive Ausgleich. Dessen Höhe orientiert sich am gesetzlichen Modell, modifizierende Ehevertragsklauseln bleiben weitgehend außer Ansatz; zusätzlich gelten Kürzungen auf Steuerwerte und – bei begünstigtem Vermögen – anteilige Begrenzungen. Wird die Zugewinngemeinschaft unter Lebenden beendet oder schlägt der Überlebende die Erbschaft aus, kommt der güterrechtliche Ausgleich zur Anwendung. Dann zählen die wirklichen (vereinbarten) Regeln – Erhöhungen und Begrenzungen wirken sich unmittelbar auf den steuerfrei bleibenden Betrag aus, und es gibt keine Kürzung auf Steuerwerte. Für Planungen bedeutet das: Der güterrechtliche Ausgleich bietet den größeren, fein steuerbaren Hebel; der fiktive Ausgleich ist die Sicherheitsnetz-Variante für den unvorhersehbaren Todesfall.

Modifizierte Zugewinngemeinschaft statt Gütertrennung

Viele Unternehmer greifen reflexartig zur Gütertrennung, um Liquiditätsabflüsse bei Scheidung zu verhindern. Das schützt zwar das Unternehmen, kostet aber im Todesfall den Steuerfreibonus aus dem Zugewinnausgleich. Smarter ist die modifizierte Zugewinngemeinschaft: Das gesetzliche Grundmodell bleibt bestehen, kritische Vermögensbereiche – typischerweise Betriebsvermögen oder konkrete Gesellschaftsanteile – werden für den Scheidungsfall aus dem Ausgleich ausgenommen. Zugleich können die Parteien die Systematik fair austarieren, etwa durch Quotenanpassungen, durch eine abweichende Behandlung des Anfangsvermögens ab Ehebeginn oder durch klare Regeln zu Erträgen und Entnahmen. Wichtig ist die saubere Begründung im Vertrag: Dokumentiert wird, warum die Modifikation zur Lebenswirklichkeit passt (z. B. unternehmerisches Risiko, ungleiche Erwerbschancen, Care-Arbeit).

Gesellschaftsvertragliche Flankierung

Was im Ehevertrag geregelt ist, muss sich im Unternehmen widerspiegeln. Gesellschaftsverträge sollten daher verlangen, dass Gesellschafter ihre Beteiligung güterrechtlich sichern – etwa indem Anteile und Gesellschafterkonten beim Zugewinnausgleich für den Scheidungsfall außen vor bleiben und Verfügungsbeschränkungen des § 1365 BGB nicht greifen. Sinnvoll ist zudem eine Pflicht zur Vorlage entsprechender Ehevertragsnachweise binnen kurzer Fristen sowie – wo rechtlich tragfähig – Pflichtteilsverzichte in Bezug auf die Beteiligung. In international geprägten Strukturen lohnt ein Blick auf ausländische Güterstände, damit die Klauseln auch grenzüberschreitend tragen.

Lebzeitige Beendigung („Güterstandsschaukel“) als Feintuning

Steht ein Todesfall absehbar bevor oder sollen größere Vermögensverschiebungen steueroptimal vorbereitet werden, kann die Zugewinngemeinschaft unter Lebenden einvernehmlich aufgehoben und güterrechtlich abgerechnet werden. Dadurch wechselt man vom fiktiven in den güterrechtlichen Ausgleich – mit der Folge, dass Vereinbarungen aus dem Ehevertrag vollständig durchschlagen und keine Kürzungen auf Steuerwerte greifen. Anschließend können die Eheleute – frei und ohne Wartefrist – wieder in die Zugewinngemeinschaft zurückkehren. Dieses Instrument verlangt Präzision: Die Abrechnung muss echt sein (keine „Papierlösung“), bereits vereinbarte Modifikationen sind zu beachten, und Schenkungen, die nach § 1380 BGB anzurechnen wären, sollten vorher ausdrücklich ausgenommen oder güterrechtlich kompensiert werden. Außerdem gilt: Der Ausgleich ist grundsätzlich in Geld zu erfüllen; die Ersetzung durch Sachwerte kann ertragsteuerliche Veräußerungstatbestände auslösen – das lässt sich nur mit vorausschauender, vertraglich originärer Sachleistungsabrede sauber entschärfen.

Grenzen und Fallstricke

Güterrechtliche Freiheit endet dort, wo im Gewand des Zugewinnausgleichs verdeckte Schenkungen konstruiert werden. Überzogene Rückdatierungen, willkürliche Anfangsvermögen oder Abreden „aus Anlass der Beendigung“ geraten schnell in den Fokus der Finanzverwaltung. Auch der sogenannte fliegende Zugewinnausgleich – ein Zwischen-Ausgleich ohne echte Beendigung – wird regelmäßig als schenkungsteuerpflichtig behandelt; erst bei späterer Anrechnung greift eine Rückabwicklung. Praktisch heikel ist zudem die Liquidität: Der güterrechtliche Anspruch ist ein vollwertiger Geldanspruch. Fehlt Cash im Nachlass oder beim Unternehmen, drohen Notverkäufe oder ertragsteuerlich teure Übertragungen an Erfüllungs statt. Wer das vermeiden will, denkt früh über Betragsdeckel, Stundungen mit marktgerechtem Zins, Sicherheiten und – wo passend – die Kombination mit erbrechtlichen Instrumenten nach (Familienheimübertragung, Nießbrauch- oder Rentenlösungen, Ausschüttungspolitik im Familienunternehmen).

So fügt es sich zusammen

Im Unternehmerfall bewährt sich ein Dreiklang.

  • Erstens ein Ehevertrag mit modifizierter Zugewinngemeinschaft: Betriebsvermögen und bestimmte Beteiligungen sind für den Scheidungsfall herausgenommen, Ausgleichslogik und Quoten werden fair justiert, Schenkungsanrechnungen durchdacht geregelt.

  • Zweitens ein gesellschaftsvertragliches Schutzgeländer, das die güterrechtliche Architektur absichert und Nachweispflichten vorsieht.

  • Drittens eine erbrechtliche und steuerliche Einbettung: Übergaben des Familienheims zu Lebzeiten, klare Nachfolgeklauseln im Testament, optional die lebzeitige Beendigung des Güterstands in Sondersituationen – stets mit Blick auf Progression, Freibeträge der Kinder und Unternehmensliquidität.

Fazit

Die Zugewinngemeinschaft ist keine starre Schablone, sondern ein flexibles System. Wer sie bewusst modifiziert, gewinnt doppelt: zivilrechtlich Schutz für Unternehmenswerte und Planungssicherheit, steuerlich die Chance, im Erbfall erhebliche Werte steuerfrei zu verschieben. Entscheidend sind Timing, Transparenz der Motive und handwerklich saubere Verträge – idealerweise im Schulterschluss von Familien-, Gesellschafts- und Steuerrecht. So wird aus dem gesetzlichen Güterstand ein echtes Gestaltungsinstrument für Vermögen, Familie und Unternehmen.

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