Immobilienbewertung bei Schenkung: Wie das Finanzamt den Wert ermittelt
Wer eine Immobilie verschenkt – etwa an Kinder, Ehepartner oder andere Angehörige – möchte häufig frühzeitig Vermögen übertragen und die Erbschaftsteuer später entlasten. Doch damit das Finanzamt die Schenkung korrekt versteuern kann, muss zunächst der Wert der Immobilie bestimmt werden. Entscheidend ist dabei nicht der Marktpreis, sondern der Steuerwert, den das Finanzamt nach den Vorgaben des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt.
Der folgende Beitrag erklärt, wie die Finanzverwaltung bei der Immobilienbewertung vorgeht, welche Verfahren angewendet werden und wann sich ein eigenes Gutachten lohnt.
1. Gesetzliche Grundlage der Immobilienbewertung bei Schenkungen
Die Bewertung von Immobilien für Zwecke der Schenkungsteuer richtet sich nach:
§ 12 Abs. 3 ErbStG in Verbindung mit
den §§ 177 ff. Bewertungsgesetz (BewG).
Ziel ist die Feststellung des sogenannten gemeinen Werts – also des Preises, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte (§ 9 BewG). Dieser Wert dient als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer. Das Finanzamt ermittelt ihn nach typisierten Bewertungsverfahren, die sich an der Art der Immobilie orientieren.
2. Bewertungsverfahren des Finanzamts
Je nachdem, ob die Immobilie unbebaut, selbst genutzt oder vermietet ist, wendet das Finanzamt eines von drei Verfahren an:
a) Unbebaute Grundstücke – einfache Berechnung über Bodenrichtwert
Für unbebaute Grundstücke ist die Bewertung relativ unkompliziert:
Der Bodenrichtwert (aus der örtlichen Bodenrichtwertkarte) wird mit der Grundstücksfläche multipliziert (§§ 178–179 BewG).
Beispiel:
800 m² × 600 €/m² = 480.000 € Steuerwert
Dieser Wert wird in der Regel direkt übernommen, es sei denn, ein nachgewiesener Verkehrswert liegt deutlich niedriger (§ 198 BewG).
b) Vergleichswertverfahren – bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen
Bei selbstgenutzten Wohnimmobilien nutzt das Finanzamt das Vergleichswertverfahren (§§ 183–184 BewG). Hier werden Verkaufspreise ähnlicher Objekte in der Region herangezogen – auf Basis der Daten der örtlichen Gutachterausschüsse. Fehlen ausreichende Vergleichswerte, werden sogenannte Vergleichsfaktoren (z. B. €/m²-Werte) herangezogen.
Beispiel:
Eigentumswohnung 120 m² × Vergleichswert 5.000 €/m² = 600.000 € Steuerwert
c) Ertragswertverfahren – bei vermieteten Immobilien
Das Ertragswertverfahren (§§ 184–188 BewG) wird bei Objekten angewandt, die regelmäßige Erträge (Mieten, Pachten) abwerfen. Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten:
Jahresnettokaltmiete ermitteln
Bewirtschaftungskosten abziehen (Verwaltung, Instandhaltung, Mietausfallwagnis)
Bodenwertverzinsung abziehen
Verbleibenden Gebäudereinertrag mit dem gesetzlich festgelegten Kapitalisierungsfaktor multiplizieren
Beispiel:
Jahresnettomiete: 36.000 €
Bewirtschaftungskosten: 5.000 €
Reinertrag: 31.000 €
Bodenwert: 200.000 €, Liegenschaftszinssatz: 3,5 %, Bodenwertverzinsung: 7.000 €
= Gebäudereinertrag: 24.000 €Kapitalisierungsfaktor (Restnutzungsdauer 40 Jahre): 23,46
Gebäudewert: 24.000 × 23,46 = 563.000 €
Gesamtwert (inkl. Boden): 763.000 €
d) Sachwertverfahren – für eigengenutzte oder spezielle Immobilien
Wenn keine Vergleichs- oder Ertragswerte vorliegen, greift das Sachwertverfahren (§§ 189–191 BewG). Hier wird der Wert anhand der Herstellungskosten, Alterswertminderung und eines Marktanpassungsfaktors (Wertzahl) bestimmt.
Beispiel:
Produktionshalle, Herstellungskosten 1.000 €/m² × 3.000 m² = 3 Mio. €
Altersminderung 60 % - 1,2 Mio. €
Bodenwert: 500.000 €
Marktanpassung (Wertzahl 0,8):
Gesamtwert = (1,2 Mio. + 0,5 Mio.) × 0,8 = 1,36 Mio. €
3. Abweichung vom Steuerwert – Nachweis durch Gutachten
Erben oder Beschenkte können nach § 198 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen. Dafür muss ein qualifiziertes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorgelegt werden.
Das Finanzamt ist verpflichtet, dieses Gutachten zu berücksichtigen, wenn:
es methodisch korrekt erstellt wurde,
und der ermittelte Wert nachvollziehbar unter dem Steuerwert liegt.
Beispiel:
Steuerwert laut Finanzamt: 900.000 €
Gutachten-Verkehrswert: 700.000 €
Differenz 200.000 € - Ersparnis bei 15 % Steuersatz = 30.000 € weniger Steuer
Gerade in Zeiten steigender Bodenrichtwerte lohnt sich der Nachweis durch ein Gutachten häufig erheblich.
4. Besonderheit: Schenkung unter Ehegatten und Freibeträge
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner haben nach § 16 Abs. 1 ErbStG einen persönlichen Freibetrag von 500.000 €. Darüber hinaus ist die Übertragung eines Familienheims (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG) vollständig steuerfrei, wenn:
der Beschenkte die Immobilie selbst zu Wohnzwecken nutzt,
und zehn Jahre dort wohnen bleibt.
Damit können Eheleute auch größere Immobilien steuerfrei übertragen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Fazit
Die Bewertung einer Immobilie bei Schenkung folgt festen gesetzlichen Regeln – doch sie ist nicht immer realitätsnah. Gerade in Ballungsgebieten oder bei Spezialimmobilien kann der vom Finanzamt angesetzte Steuerwert deutlich über dem tatsächlichen Marktwert liegen. Wer frühzeitig plant und gegebenenfalls ein Verkehrswertgutachten beibringt, kann tausende Euro an Schenkungsteuer sparen. Eine rechtliche und steuerliche Begleitung ist daher dringend zu empfehlen – insbesondere bei Immobilien mit hohem Wert oder bei Kombination von Privat- und Betriebsvermögen.