Pflegeklauseln in Übergabeverträgen – Versorgung regeln, Streit vermeiden
Familien leben verstreut, Beruf und Pflege lassen sich oft schwer kombinieren – und dennoch wünschen sich viele Übergeber eine häusliche Versorgung im Alter. Pflegeklauseln verankern genau das im Übergabevertrag: Sie bestimmen wer, wo, wie und wie weit Pflege schuldet. Richtig gestaltet, schaffen sie Transparenz, steuern Pflichtteilsergänzung und Steuern mit und schützen Geschwister vor späteren Unterhaltsregressen. Unsauber gefasst, werden sie dagegen zur juristischen Sollbruchstelle.
Klarheit statt Wunschkonzert: Inhalt und Struktur einer Pflegeklausel
Eine gute Pflegeklausel benennt Anlass, Ort, Durchführung, Art und Umfang der Pflege – und setzt Obergrenzen.
Anlass & Schwelle: Pflege bei Krankheit/ Gebrechlichkeit oder bei Pflegebedürftigkeit i. S. d. § 14 SGB XI. Der Bezug auf das SGB XI erhöht die Rechtssicherheit.
Ort: Regelmäßig im übergebenen Anwesen – mit Wegzugregel (was gilt bei Umzug ins Heim oder in die Wohnung des Erwerbers?). Wichtig: Die Pflichten erlöschen nicht automatisch, wenn das Eigentum am Übergabeobjekt später entfällt.
Durchführung: Persönlich durch den Erwerber und / oder durch Dritte (Pflegedienst). Eine reine persönliche Pflicht birgt hohe Risiken (dazu unten).
Art der Leistungen: Von Hauswirtschaft (Einkaufen, Kochen, Reinigung) über pflegebedingte Tätigkeiten (Betten, Inkontinenzversorgung) und Grundpflege (Körperpflege, Mobilität, Ernährung) bis hin zu medizinisch indizierten Tätigkeiten (Medikamentengabe – i. d. R. über Dritte).
Umfang & Zumutbarkeit: Praktikabel ist eine Deckelung über den Pflegegrad (z. B. Verpflichtung bis Pflegegrad 2 oder „Sockelbedarf bis zum Eintritt eines Pflegegrades nach SGB XI“). Eine bloße Pflicht, den „nicht gedeckten Restbedarf“ zu tragen, wirkt offen – kann aber in höheren Pflegegraden uferlos werden. Ergänzend gehört eine Zumutbarkeitsschranke (berufliche / familiäre Lage des Erwerbers) hinein.
Pflegeversicherung mitdenken: Die Antragstellung sollte Pflicht sein. Wird Pflegegeld bezogen, ist klarzustellen, ob und in welcher Höhe es an den Verpflichteten auszukehren ist (voller Tabellenbetrag vs. tatsächlicher Zahlbetrag bei Kombinationsleistungen).
Aufwendungen & Vergütung: Regelmäßig werden Auslagen ersetzt (z. B. für Besorgungen). Eine Vergütung der Arbeitskraft ist meist nicht geschuldet – das sollte ausdrücklich besprochen werden, um Erwartungen zu steuern.
Geschwisterbezug: Wer pflegt, soll nicht allein stehen. Möglich sind Freistellungen gegenüber Geschwistern oder ein echtes Forderungsrecht zugunsten Dritter (§ 328 BGB), wenn mehrere mitwirken sollen.
Heikler Punkt: Persönliche Pflegepflichten und die „Störung der Geschäftsgrundlage“
Verlangt die Klausel persönliche Pflege durch nahe Angehörige, knüpft sie faktisch an eine vertrauensvolle Beziehung an. Kommt es zur Zerrüttung, hat die Rechtsprechung in Einzelfällen eine Vertragsanpassung bis hin zur Rückübertragung nach § 313 BGB zugelassen – eine niedrigere Hürde als beim groben Undank (§ 530 BGB). Das schafft Unsicherheit.
Bessere Praxis:
Wahlrecht „Pflege durch Dritte“ auf Kosten des Erwerbers (Bonität sichern; alternativ Finanzierung und Grundpfandrecht).
Ex-nunc-Anpassungsmechanik für den Störfall (z. B. Abgeltung erbrachter Leistungen, Anrechnung von Wohnvorteilen).
Wechselseitiges Rücktrittsrecht mit klaren Rechtsfolgen, differenziert nach Anlass und Person.
So bleibt die Versorgung gesichert, ohne den Vertrag dem Risiko einer kompletten Rückabwicklung auszusetzen.
SGB-XI-Sprache nutzen – aber mit Augenmaß
Seit 2017 entscheidet ein Begutachtungsinstrument über Pflegegrade; die früheren Zeitbudgets sind entfallen. Der Bezug auf Pflegegrad 2 („erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit“) hat sich als Planungsgröße bewährt. Für Altklauseln, die noch auf Pflegestufen/Zeitminuten abstellen, lohnt eine prüfende Anpassung, um Missverständnisse zu vermeiden – selbst wenn viele Verweisungen als statisch gelten können.
Absicherung im Grundbuch: Reallast & Vollstreckungstitel
Pflege- und Versorgungsleistungen lassen sich als Reallast (§§ 1105 ff. BGB) absichern. Voraussetzung ist, dass der Leistungsumfang bestimmbar ist – das ist bei Anknüpfung an Pflegebedürftigkeit, Zumutbarkeit und ggf. an den Aufwand einer bezahlten Pflegekraft der Fall.
Steuer- und Pflichtteilswirkung: realistische Erwartungen
Pflegeklauseln können den unentgeltlichen Anteil einer Übertragung reduzieren (Stichwort Pflichtteilsergänzung). Das gilt erst recht, wenn Pflege als Gegenleistung verstanden und beziffert/ kapitalisiert wird. Steuerlich gilt: Konkrete, nachvollziehbare Werte und saubere Vertragsdokumentation sind entscheidend. Die Detailabstimmung mit der Steuerberatung gehört frühzeitig angestoßen.
Beispiel:
Mutter überträgt das Zweifamilienhaus auf den Sohn. Die Pflegeklausel verpflichtet ihn zur häuslichen Versorgung bis Pflegegrad 2, danach zu Drittpflege auf eigene Kosten gedeckelt auf die gesetzlichen Leistungen plus einen Sockelbetrag. Pflegegeld wird ausgekehrt. Gesichert ist das Paket durch Reallast in vorrangigem Rang und Vollstreckungsunterwerfung; für den Störfall ist ein automatisches Umschalten auf Drittpflege und eine Abgeltungsklausel vereinbart. Ergebnis: Versorgung gesichert, Streit entdramatisiert, Bank zufrieden.
Fazit
Die wirksame Pflegeklausel ist konkret (SGB-XI-Bezug), begrenzt (Pflegegrad / Obergrenze), zumutbar (persönliche Leistungen nur bis zu einer bestimmten Schwelle), absichert (Reallast / Titel) und robust im Störfall (Drittpflege / Rücktritt / Anpassung). So wird aus der guten Absicht eine tragfähige Rechtsposition – für Übergeber, Erwerber und die übrige Familie.