Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Korrektur der vorweggenommenen Erbfolge: Rückforderungsrechte, Bedingungen & flexible Absicherung
Die vorweggenommene Erbfolge ist eines der wichtigsten Instrumente der modernen Nachfolgeplanung. Sie ermöglicht, Vermögen strukturiert und steueroptimiert zu übertragen, Streitigkeiten vorzubeugen und frühzeitig die nächste Generation einzubinden. Gleichzeitig löst sie bei vielen Übergebern ein ungutes Gefühl aus: „Was ist, wenn nach der Übertragung etwas Unvorhergesehenes passiert?“, „Was, wenn mein Kind in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät?“, „Was, wenn die Ehe scheitert oder das Vermögen in falsche Hände gerät?“
Diese Sorgen sind berechtigt – aber vertraglich vollständig beherrschbar. Denn anders als oft angenommen, ist eine Schenkung keineswegs endgültig. Durch kluge Gestaltung können Rückforderungsrechte, Bedingungen, Widerrufsmechanismen und Absicherungsklauseln so miteinander kombiniert werden, dass auch langfristige Veränderungen, Krisen oder Fehlentwicklungen aufgefangen werden. Die Vertragsgestaltung wird damit zum Sicherheitsnetz der vorweggenommenen Erbfolge.
1. Warum gesetzliche Rückforderungsrechte nicht ausreichen
Das Gesetz bietet nur sehr begrenzte Korrekturmöglichkeiten: Rückforderung bei grobem Undank, Rückforderung bei Verarmung und besondere Regeln bei Zweckverfehlung. Diese Instrumente sind in der Praxis jedoch viel zu eng, zu schwer durchsetzbar oder zu unsicher. Kein Übergeber möchte sich darauf verlassen, dass ein Gericht später den „Undank“ eines Kindes feststellt oder eine Verarmungssituation nachweist.
Vor allem aber sind gesetzliche Rücktrittsrechte nicht geeignet, typische Lebensrisiken abzudecken. Insolvenzen, Vermögensverfall, Scheidungen, riskante Lebensführung, die plötzliche Geschäftsunfähigkeit des Erwerbers oder schlicht der vorzeitige Tod – all das bleibt gesetzlich ungeregelt. Damit wäre die Schenkung endgültig, selbst wenn der gesamte Zweck der Übertragung wegfällt.
Die Lösung ist deshalb eindeutig: Umfassende vertragliche Rückforderungs- und Gestaltungsklauseln, passgenau zugeschnitten auf die Risiken, die in der eigenen Familie realistisch sind.
2. Typische Anlässe, die eine Rückabwicklung notwendig machen können
In der Praxis zeigt sich ein immer wiederkehrendes Risikobild. Besonders häufig abgesichert werden folgende Szenarien:
der Erwerber verstirbt vor dem Schenker,
der Erwerber verschuldet sich oder verliert sein Vermögen,
über sein Vermögen wird ein Insolvenzverfahren eröffnet,
die Immobilie wird veräußert oder belastet,
die Ehe des Erwerbers scheitert und die Immobilie droht in den Zugewinn zu fallen,
der Erwerber heiratet ohne Ehevertrag,
riskante Lebensführung wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit,
Abbruch der Ausbildung oder Abkehr aus der Familie,
Mitgliedschaft in sektenähnlichen Organisationen,
fehlende leibliche Abkömmlinge, sodass die Immobilie fremden Personen zufließen würde.
Diese Liste zeigt, wie breit die Lebensrisiken sind. Genau deshalb braucht es einen vertraglichen Instrumentenkasten, der nicht nur einzelne Punkte abdeckt, sondern flexibel und fair ausgestaltet ist.
3. Aufgeschobene Erfüllung: Eigentum erst übertragen, wenn der Zeitpunkt stimmt
Eine erste Möglichkeit besteht darin, die Erfüllung der Schenkung aufzuschieben. Das bedeutet: Der schuldrechtliche Vertrag wird geschlossen, aber die endgültige Eigentumsumschreibung erfolgt erst mit dem Tod des Schenkers oder bei Eintritt weiterer Bedingungen.
Diese Gestaltung verschafft Sicherheit, wahrt aber die Grundidee der Übertragung. Sie stößt allerdings dort an Grenzen, wo Gesellschaftsanteile betroffen sind oder der Erwerber bereits Planungssicherheit benötigt. Sie ersetzt deshalb nie ein vollwertiges Rückforderungsrecht, ist aber ein gutes ergänzendes Instrument.
4. Rückforderungsrechte als „Königsweg“ der Absicherung
Die wichtigsten vertraglichen Schutzmechanismen sind ausdrückliche Rückforderungsrechte. Sie geben dem Schenker einen unmittelbaren Anspruch auf Rückübertragung – ohne Streit über „Undank“ oder Verarmung. Inhalt und Umfang des Rückforderungsrechts können genau an die jeweilige Familie, die Vermögensstruktur und die geplante Gestaltung angepasst werden.
Rechtlich werden Rückforderungsrechte als unvererbliches, nicht übertragbares Gestaltungsrecht ausgestaltet. Sie greifen nur, wenn bestimmte, klar definierte Ereignisse eintreten – die berühmten „Rückforderungsfälle“.
Die Formulierung solcher Rechte muss präzise sein, um jede spätere Diskussion zu vermeiden. Gleichzeitig müssen Grundbuchabsicherungen wie die Rückauflassungsvormerkung enthalten sein, damit die Rückforderung auch gegen Dritte durchgesetzt werden kann.
Vertraglich lassen sich Rückforderungen übrigens auf zweierlei Arten regeln:
als Rücktritt vom schuldrechtlichen Vertrag mit Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht oder
als vertragliche Rückauflassungspflicht mit eigenen Abwicklungsregeln.
Letzteres ist die deutlich elegantere und sichere Variante, weil sie die Haftungsfolgen, Investitionen, Belastungen und Wertsteigerungen klar regelt.
5. Rückforderung bei mittelbarer Grundstücksschenkung
Wird Geld verschenkt, damit der Erwerber ein bestimmtes Grundstück erwirbt, spricht man von einer mittelbaren Grundstücksschenkung. Auch hier lassen sich Rückforderungsrechte vereinbaren – entweder bezogen auf das Geld oder auf das Grundstück selbst.
Wird letzteres gewählt, muss die Verteilung der Grunderwerbsteuer, die Übernahme der Grundpfandrechte und die Behandlung der Investitionen ausdrücklich geregelt werden. Fehlt dies, drohen komplizierte bereicherungsrechtliche Auseinandersetzungen.
6. Behandlung von Investitionen, Schulden und Wertsteigerungen
Ein kritischer Punkt der Vertragsgestaltung ist die Frage, was mit Investitionen, Lasten, Tilgungsleistungen und Wertsteigerungen geschieht. Ohne ausdrückliche Regelung würde das allgemeine Bereicherungsrecht gelten – ein Ergebnis, das in der Praxis fast immer unbefriedigend und teuer ist.
Deshalb legen moderne Vertragsgestaltungen genau fest:
welche Investitionen ersetzt werden,
welche nicht ersetzt werden (z.B. eigene Arbeitsleistung),
welcher Wertmaßstab gilt (Zeitwert statt Herstellungskosten),
was mit Grundpfandrechten geschieht,
welche Darlehen vom Schenker bei Rückübertragung übernommen werden,
welche Darlehen der Erwerber selbst ausgleichen muss.
Dieser Teil ist einer der wichtigsten Bausteine, um spätere Konflikte zu vermeiden.
7. Widerrufsvorbehalte: Rechtlich möglich, praktisch riskant
Das Gesetz erlaubt sogar freie Widerrufsvorbehalte – also die Möglichkeit, die Schenkung jederzeit zu widerrufen. In der Praxis sind solche Klauseln aber kaum empfehlenswert. Ein freies Widerrufsrecht ist pfändbar und bei Gesellschaftsanteilen teils sogar unwirksam. Zudem unterliegt es einer strengen Ausübungskontrolle, was die praktische Handhabung stark einschränkt.
Widerrufe eignen sich deshalb nur für extreme Ausnahmefälle.
8. Auflösende Bedingungen: Automatik statt Entscheidung
Statt Rückforderungsrechten können auch auflösende Bedingungen vereinbart werden. Der Vorteil liegt im Automatismus: Tritt das Ereignis ein, fällt das Eigentum automatisch zurück. Der Nachteil: Der Schenker kann im Einzelfall nicht entscheiden, ob er wirklich zurückfordern möchte oder nicht. Für die moderne Nachfolgegestaltung werden auflösende Bedingungen daher nur selten genutzt und allenfalls zur Ergänzung eingesetzt.
9. Rückübertragungsangebote: Eine elegante Lösung für bestimmte Szenarien
In manchen Konstellationen ist es sinnvoll, dass der Erwerber dem Schenker ein unwiderrufliches Angebot auf Rückübertragung erteilt. Dieses Angebot kann etwa auf den Todesfall befristet werden. Mit der Annahme entsteht dann automatisch ein Rückübertragungsanspruch. Diese Lösung ist elegant, aber eher für Sonderfälle geeignet – beispielsweise, wenn die Immobilie im Familienbesitz bleiben soll, aber der Erwerber selbst keine Kinder hat.
10. Gesellschaftsrechtliche Absicherung: Hinauskündigung, Einziehung, Abfindung
Wird im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Gesellschaftsanteil übertragen, ist eine korrekte Abstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag zwingend. Rückforderungsrechte greifen sonst häufig ins Leere.
Die Rechtsprechung erlaubt zwar keine freie Hinauskündigung oder Ausschließung des Beschenkten, aber sachlich begründete Sonderregelungen sind möglich – etwa bei groben Pflichtverletzungen, familiären Kerninteressen oder wirtschaftlichen Risiken. Wichtig ist vor allem, dass der Abfindungsanspruch des Beschenkten den gesetzlichen Mindestschutz wahrt.
Fazit
Die Angst vieler Übergeber, mit der Schenkung sämtliche Kontrolle zu verlieren, ist nachvollziehbar – aber unbegründet. Mit einer modernen, exakt formulierten Vertragsgestaltung lässt sich nahezu jedes Risiko absichern. Rückforderungsrechte, Bedingungen, Widerrufsmechanismen und gesellschaftsrechtliche Regelungen bilden ein umfassendes Sicherheitsnetz, das flexibel auf Lebensentwicklungen reagiert.
Damit ist die vorweggenommene Erbfolge nicht nur steuerlich attraktiv, sondern auch rechtlich absolut beherrschbar. Für jede Familie, jedes Vermögen und jede Konstellation gibt es eine passende Gestaltung – entscheidend ist, dass sie von Beginn an sauber formuliert wird.
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