Stiftung als Nachfolgemodell – wann lohnt sich die Vermögensstiftung?
Die Stiftung als Instrument der Vermögens- und Unternehmensnachfolge ist kein neues Konzept – aber sie erlebt in den letzten Jahren eine deutliche Wiederentdeckung. Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Lebenswerk langfristig sichern wollen, stehen häufig vor denselben Fragen:
Wie kann das Unternehmen generationenübergreifend fortgeführt werden, ohne dass es durch Erbauseinandersetzungen oder Pflichtteilsansprüche zerschlagen wird? Wie lässt sich verhindern, dass familiäre Streitigkeiten über Anteile oder die Geschäftsführung die Substanz gefährden?
Eine Familienstiftung kann auf diese Fragen eine überzeugende Antwort geben. Sie ist mehr als nur ein steuerliches Konstrukt: Sie ist eine eigenständige rechtliche Organisationsform, die Vermögen und Werte dauerhaft bündeln und schützen kann – und dabei klare Regeln für den Umgang mit Erträgen, Nachfolge und Verantwortung festlegt.
1. Wesen und rechtliche Struktur der Familienstiftung
Die Familienstiftung ist keine Gesellschaft im klassischen Sinne, sondern ein rechtlich verselbstständigtes Zweckvermögen. Nach § 80 BGB entsteht sie durch das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung der Stiftungsaufsicht. Das bedeutet: Das eingebrachte Vermögen gehört niemandem mehr – es wird dauerhaft der Erfüllung des Stiftungszwecks gewidmet.
Die Familienmitglieder haben keine Gesellschafterrechte, keine Stimmrechte und keinen unmittelbaren Zugriff auf die Vermögenssubstanz. Sie sind lediglich Destinatäre – Begünstigte, die nach den Regeln der Stiftungssatzung Ausschüttungen oder Unterstützungsleistungen erhalten. Der Stiftungszweck kann etwa lauten: „Erhaltung des Familienunternehmens, Versorgung der Familienmitglieder und Förderung gemeinsamer Werte.“
Diese Struktur bringt grundlegende Vorteile mit sich:
Das Vermögen ist rechtlich geschützt vor dem Zugriff einzelner Familienmitglieder, Gläubiger oder Pflichtteilsberechtigter.
Es kann nicht zersplittern – weder durch Erbfolge noch durch Veräußerung einzelner Beteiligungen.
Die Stiftung lebt zeitlich unbegrenzt fort – auch wenn Generationen wechseln oder sich familiäre Konstellationen ändern.
2. Steuerliche Rahmenbedingungen der Familienstiftung
Die steuerliche Behandlung einer Familienstiftung unterscheidet sich in mehreren Punkten von der einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft. Sie ist komplex, bietet aber erhebliche Gestaltungsspielräume.
a) Laufende Erträge
Eine inländische Stiftung ist unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG). Sie unterliegt damit einem Steuersatz von 15 % zuzüglich Solidaritätszuschlag. Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften – insbesondere Dividenden – sind zu 95 % körperschaftsteuerfrei, wenn die Beteiligung mehr als 10 % beträgt (§ 8b KStG). In der Praxis führt das dazu, dass die laufende Steuerbelastung häufig geringer ist als bei einer gewerbesteuerpflichtigen Holding-GmbH. Da die Stiftung nicht kraft Rechtsform als Gewerbebetrieb gilt, lässt sich eine Gewerbesteuerpflicht meist vermeiden, sofern kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besteht.
b) Ausschüttungen an Destinatäre
Zahlungen der Stiftung an ihre Destinatäre gelten steuerlich als Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) und unterliegen der Abgeltungsteuer von 25 %. Ein Abzug als Betriebsausgabe auf Stiftungsebene ist nicht möglich (§ 10 Nr. 1 KStG). Zwar besteht keine Möglichkeit, Verluste mit anderen Einkunftsarten zu verrechnen (§ 20 Abs. 6 EStG), jedoch bleibt die Gesamtbelastung oft deutlich unter der progressiven Einkommensteuer von bis zu 45 %. Besonders bei großen Familienvermögen kann dieser Mechanismus zu einer effizienten und planbaren Nachsteuerrendite führen.
c) Erbschaft- und Schenkungsteuer
Die Übertragung von Vermögen in die Stiftung gilt als Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) oder – im Todesfall – als Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Maßgeblich ist das Verwandtschaftsverhältnis des am weitesten entfernten Begünstigten zum Stifter (§ 15 Abs. 2 ErbStG).
Nach der Errichtung wird das Vermögen allerdings dauerhaft der Erbschaftsteuer entzogen. Um eine unfaire Steuerbegünstigung zu vermeiden, greift alle 30 Jahre die sogenannte Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Sie simuliert einen Generationenwechsel und unterstellt, dass das Vermögen auf zwei Kinder übergeht. Damit gilt Steuerklasse I – also die günstigste Tarifstufe – und es können zweimal 400.000 € Freibetrag genutzt werden.
Die Ersatzerbschaftsteuer kann auf Antrag in 30 Jahresraten gezahlt werden (§ 24 ErbStG), was die Liquidität der Stiftung schont. Zudem kommen die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13a, 28a ErbStG) zur Anwendung, sodass Unternehmensbeteiligungen meist weitgehend steuerneutral eingebracht werden können.
d) Wegzug von Familienmitgliedern
Ein häufig übersehener Vorteil: Mit der Stiftung lassen sich Wegzugsbesteuerungen (§ 6 AStG) vermeiden. Wenn Familienmitglieder ins Ausland ziehen, bleibt das Vermögen weiterhin der Stiftung zugeordnet – es kommt zu keiner fiktiven Veräußerung. Das ist insbesondere für global aufgestellte Unternehmerfamilien interessant.
3. Familienstrategische Überlegungen
Die Familienstiftung ist nicht nur ein Steuerinstrument, sondern vor allem ein familienstrategisches Steuerungselement.
Sie bietet sich an, wenn:
keine oder zu viele Nachfolger vorhanden sind,
familiäre Konflikte oder Minderjährigkeit der Erben absehbar sind,
die Unternehmenskontinuität Vorrang vor individueller Verfügbarkeit haben soll.
Die Stiftung schützt das Vermögen vor Zersplitterung und sorgt dafür, dass die Geschäfte kontinuierlich im Sinne des Stifters fortgeführt werden. Streitigkeiten über Erbquoten oder Unternehmensverkäufe werden weitgehend ausgeschlossen.
Zudem ist das Vermögen vor Pfändung, Pflichtteils- oder güterrechtlichen Ansprüchen der Destinatäre geschützt. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei Anfechtung nach dem AnfG oder im Insolvenzfall des Stifters – bestehen Durchgriffsmöglichkeiten.
Ein weiterer Vorteil liegt in der organisatorischen Kontinuität: Der Stifter kann weiterhin als Stiftungsvorstand agieren und die Nachfolge geordnet vorbereiten. Der nachfolgende Vorstand führt die Geschäfte unabhängig von familiären Mehrheitsverhältnissen fort. So bleibt der unternehmerische Kurs auch nach dem Generationswechsel gewahrt.
Gleichzeitig kann die Stiftung zur Wertebindung innerhalb der Familie beitragen. Sie sichert nicht nur Kapital, sondern auch die Idee, auf der das Unternehmen beruht – Verantwortung, Nachhaltigkeit, gemeinsames Handeln über Generationen hinweg.
4. Gestaltungsfreiheit und Satzungsgestaltung
Die Stiftungssatzung ist das zentrale Steuerungsinstrument. Sie legt die Ziele, Begünstigtenkreise, Ausschüttungsmodalitäten und Organisationsstrukturen fest.
Der Gestaltungsspielraum ist groß:
Ausschüttungen können an Bedingungen geknüpft werden (z. B. Bedürftigkeit, Studium, Mitarbeit im Familienunternehmen).
Es können Familienräte oder Beiräte geschaffen werden, die Mitspracherechte sichern.
Bestimmungen zur Nachfolge im Vorstand, zu Vetorechten oder Kontrollinstanzen können langfristige Stabilität sichern.
Da spätere Änderungen der Satzung nur in engen Grenzen möglich sind, sollte sie von Beginn an flexibel und zukunftsfähig angelegt werden. Empfehlenswert sind Öffnungsklauseln, die Reaktionen auf geänderte steuerliche oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen ermöglichen. Zugleich sollte die Gremienstruktur gewährleisten, dass die „DNA der Familie“ – also Werte, Unternehmenskultur und Zielrichtung – auch langfristig in den Entscheidungsprozessen erhalten bleibt.
5. Wann lohnt sich eine Stiftung wirklich?
Die Errichtung einer Familienstiftung ist kein Allheilmittel, sondern eine Entscheidung von großer Tragweite. Sie bedeutet die endgültige Entäußerung des Vermögens – das Eigentum geht auf die Stiftung über. Dieser Schritt lohnt sich insbesondere dann, wenn:
Größere Familienvermögen oder Unternehmensbeteiligungen vorliegen (ab ca. 20–30 Mio. € Wert);
die Familie langfristige Stabilität und Streitvermeidung anstrebt;
minderjährige, zerstrittene oder zu viele Erben existieren;
eine nachhaltige Wertebindung im Vordergrund steht;
der Stifter bereit ist, die Verantwortung schrittweise, aber kontrolliert, zu übergeben.
Eine Stiftung sollte nicht allein aus steuerlichen Gründen errichtet werden. Die steuerlichen Vorteile sind beachtlich, aber der eigentliche Wert liegt in der Kombination aus rechtlicher Struktur, Vermögensschutz und generationsübergreifender Planungssicherheit.
Fazit
Die Familienstiftung als Nachfolgemodell bietet eine außergewöhnliche Möglichkeit, Unternehmenswerte, Familienvermögen und unternehmerische Visionen dauerhaft zu sichern. Sie schützt vor Erbstreitigkeiten, garantiert Kontinuität in der Unternehmensführung und eröffnet steuerliche Gestaltungsspielräume, die bei anderen Strukturen kaum erreichbar sind.
Gleichzeitig verlangt sie juristische Präzision, steuerliche Abstimmung und strategische Weitsicht. Wer eine Stiftung gründen möchte, sollte frühzeitig rechtliche und steuerliche Expertise einbinden, um Satzung, Aufsicht und steuerliche Folgen optimal zu gestalten.
So kann die Familienstiftung zum verlässlichen Fundament über Generationen hinweg werden – ein Instrument, das Vermögen und Verantwortung gleichermaßen bewahrt.
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