Bewertung bei Unternehmensübergabe: Wie wird der Unternehmenswert ermittelt?
Die Unternehmensübergabe ist einer der kritischsten Momente in der Lebensspanne eines Unternehmens. Neben der rechtlichen Struktur und der Auswahl des Nachfolgers stellt sich immer dieselbe zentrale Frage: Wie viel ist das Unternehmen eigentlich wert – und wie wird dieser Wert steuerlich ermittelt?
Ob Erbschaft, Schenkung oder Verkauf innerhalb der Familie: Die Bewertung nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) entscheidet darüber, ob eine Übergabe steuerneutral oder steuerbelastet abläuft. Dieser Beitrag erklärt, wie der Unternehmenswert berechnet wird, welche Verfahren zur Anwendung kommen und welche steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.
1. Gesetzliche Grundlagen der Unternehmensbewertung
Die Bewertung von Unternehmen im Rahmen der Erbschaft- oder Schenkungsteuer richtet sich nach
§ 12 Abs. 5 ErbStG und
den §§ 95 bis 203 BewG (Bewertungsgesetz).
Ziel ist die Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9 BewG) – also des Preises, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Da Unternehmensanteile nicht an der Börse gehandelt werden, müssen ihre Werte typisiert ermittelt werden. Dafür sieht das Gesetz zwei Ansätze vor:
Marktwertbasierte Bewertung (z. B. Verkäufe oder Gutachten)
Vereinfachtes Ertragswertverfahren (§§ 199–203 BewG) – Standardverfahren der Finanzverwaltung
2. Das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199–203 BewG)
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist das zentrale Verfahren zur steuerlichen Unternehmensbewertung. Es beruht auf der Annahme, dass der Wert eines Unternehmens dem Barwert seiner zukünftig erzielbaren Gewinne entspricht.
Schritt 1: Ermittlung des durchschnittlichen Jahresertrags
Ausgangspunkt ist der durchschnittliche Jahresertrag der letzten drei Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichtag. Von diesem Ergebnis werden abgezogen:
nicht betriebsnotwendige Erträge,
außergewöhnliche Positionen,
ein angemessener Unternehmerlohn (§ 202 BewG).
Schritt 2: Multiplikation mit Kapitalisierungsfaktor
Der so bereinigte Jahresertrag wird mit einem gesetzlich festgelegten Faktor von 13,75 multipliziert (§ 203 Abs. 1 BewG). Dieser Faktor spiegelt die Annahme eines Basiszinssatzes von 2 % und eines typisierten Risikozuschlags wider.
Beispiel:
Durchschnittlicher Ertrag: 300.000 €
Unternehmerlohn: 80.000 €
Bereinigter Ertrag: 220.000 €
220.000 € × 13,75 = 3.025.000 € Unternehmenswert
Schritt 3: Hinzurechnung nicht betriebsnotwendigen Vermögens
Vermögenswerte, die nicht unmittelbar der betrieblichen Tätigkeit dienen (z. B. ungenutzte Grundstücke, Beteiligungen, Finanzanlagen), werden gesondert zum gemeinen Wert hinzugerechnet (§ 200 Abs. 2 BewG).
Beispiel (Fortsetzung):
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen: 500.000 €
Gesamtwert: 3.525.000 €
3. Alternative Bewertungsverfahren – wann sie sinnvoll sind
Das vereinfachte Ertragswertverfahren führt häufig zu Überbewertungen, insbesondere in kapitalintensiven oder schwankungsanfälligen Branchen. Deshalb kann der Steuerpflichtige nach § 199 Abs. 1 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen, z. B. durch:
Gutachten nach IDW S 1 (Ertragswertverfahren): basiert auf individuellen Zukunftserwartungen und Kapitalisierungszinsen
Discounted Cashflow-Verfahren (DCF): international anerkanntes Verfahren, das auf Kapitalströmen basiert
Vergleich mit Marktpreisen (Multiplikatoren, EBIT-Multiple): besonders bei Unternehmensverkäufen oder Buy-outs relevant
Ein solcher Nachweis ist insbesondere sinnvoll, wenn:
der Betrieb stark von der Person des Inhabers abhängt,
Erträge schwanken oder rückläufig sind,
hohe Investitionsbedarfe bestehen,
oder die Kapitalstruktur überdurchschnittlich ist.
Das Finanzamt ist verpflichtet, ein plausibles Gutachten anzuerkennen (§ 198 BewG).
4. Bewertung von Betriebsimmobilien – häufig unterschätzt
Ein erheblicher Teil des Unternehmenswertes liegt oft in den Betriebsimmobilien. Sie werden nach §§ 177 ff. BewG bewertet, meist im Ertragswert- oder Sachwertverfahren, abhängig von Nutzung und Ertragscharakter.
Ertragswertverfahren: bei vermieteten oder verpachteten Gebäuden (Mietwohnhäuser, gemischt genutzte Objekte)
Sachwertverfahren: bei eigengenutzten Immobilien (Produktionshallen, Werkstätten, Verwaltungsgebäude)
Lesen Sie hierzu auch unseren ausführlichen Beitrag Bewertung von Betriebsimmobilien bei Unternehmensnachfolge.
Tipp:
Vor einer Übergabe sollte eine gesonderte Immobilienbewertung erfolgen, um ungewollte Steuerfolgen oder eine Überschreitung der Verschonungsgrenzen zu vermeiden.
5. Steuerliche Verschonung nach §§ 13a, 13b ErbStG
Damit die Unternehmensnachfolge nicht an der Steuerlast scheitert, gewährt das ErbStG weitreichende Verschonungen: Unterschieden wird zwischen der Regelverschonung (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und der Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG). Beide haben unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche Steuerbefreiungen zur Folge. Zudem gibt es noch eine Bagatellregelung für Betriebe mit nicht mehr als fünf Beschäftigen.
Diese Vergünstigungen gelten auch für Mitunternehmeranteile (z. B. GmbH & Co. KG), wenn der Erwerber Mitunternehmer wird und den Betrieb fortführt. Ein zu hoher Steuerwert kann jedoch dazu führen, dass die 20 %-Grenze für Verwaltungsvermögen überschritten wird – und damit der Steuervorteil entfällt.
6. Praxisempfehlung: Bewertung und Nachfolge zusammen planen
Die steuerliche Unternehmensbewertung darf nie isoliert betrachtet werden.
Eine frühzeitige Planung ermöglicht:
den mehrfachen Nutzung der Freibeträge (alle 10 Jahre, § 14 ErbStG),
die Gestaltung über Güterstandsschaukel oder Holding-Struktur,
und die Optimierung der Rechtsform (z. B. GmbH & Co. KG zur Trennung von Vermögen und Ertrag).
Tipp:
Unternehmen sollten spätestens 3–5 Jahre vor geplanter Übergabe eine betriebswirtschaftliche und steuerliche Bewertung vornehmen lassen. So kann die Nachfolge steuerlich und gesellschaftsrechtlich abgestimmt werden.
Fazit
Die Bewertung bei Unternehmensübergabe ist mehr als ein Rechenvorgang – sie ist das Fundament jeder rechtssicheren Nachfolgeregelung. Ein realistischer, dokumentierter Unternehmenswert schützt vor steuerlichen Nachteilen und vor Streit in der Familie oder unter Gesellschaftern. Mit einer vorausschauenden Gestaltung lassen sich Freibeträge, Verschonungsregelungen und steuerliche Entlastungen optimal nutzen.
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