Vorweggenommene Erbfolge – die wichtigsten Gestaltungsinstrumente
Warum zu Lebzeiten gestalten?
Wer seine Vermögensnachfolge nicht allein dem Erbfall überlassen will, nutzt die Spielräume der vorweggenommenen Erbfolge. Gemeint ist die lebzeitige Übertragung von Vermögen – oft an die späteren Erben – flankiert durch Versorgungsabreden, Anrechnungs- oder Ausgleichsregeln. Ziel ist Planbarkeit: steuerlich, familiär und unternehmerisch. Damit dies gelingt, sollte jede Maßnahme in ein Gesamtkonzept eingebettet werden: Wer bekommt was, mit welchen Rechten und Pflichten – und welche Folgewirkungen (Pflichtteil, Steuern, Finanzierung, Familienfrieden usw.) sind mitzudenken?
Schenkung im Kern: unentgeltlich, formbewusst - und klug durchdacht
Die „klassische“ lebzeitige Übertragung ist die Schenkung (§§ 516 ff. BGB). Sie setzt eine Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers, eine Bereicherung des Empfängers und Einigkeit über die Unentgeltlichkeit voraus. Wichtig ist die echte Entreicherung: Wer lediglich den Gebrauch überlässt (etwa eine Wohnung schuldrechtlich „auf Zeit“), schenkt regelmäßig nicht – das ist meist Leihe. Umgekehrt kann die Entreicherung vom Wertzuwachs beim Empfänger abweichen, etwa bei KG-Anteilen oder Bezugsrechten aus Lebensversicherungen: maßgeblich ist nicht die Prämien-, sondern die Vermögensposition, die tatsächlich transferiert wird. Für Grundstücke gilt: Beurkundung, Auflassung und Eintragung sind sauber aufzusetzen; häufig spricht man die „Vorwegnahme der Erbfolge“ ausdrücklich aus und ordnet Anrechnung oder Ausgleich zwischen Geschwistern an.
Wenn Leistung auf Gegenleistung trifft: die gemischte Schenkung richtig einordnen
Zwischen reiner Unentgeltlichkeit und Kauf liegt die gemischte Schenkung: Ein (deutliches) Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist gewollt - der „Mehrwert“ wird schenkweise zugewandt. Entscheidend ist die Geldquelle der Gegenleistung: Zahlt der Empfänger aus eigenem Vermögen, spricht vieles für (Teil-)Entgeltlichkeit; trägt er Auflagen „aus dem Geschenk“ (z. B. übernimmt er im Objekt lastende Verbindlichkeiten, ohne eigenes Geld einzusetzen), bleibt es regelmäßig bei Schenkung mit Auflage. Eine klare vertragliche Qualifikation und Dokumentation verhindert spätere Diskussionen – insbesondere mit Pflichtteilsberechtigten.
Auflagen, Nießbrauch und Versorgung: Balance zwischen Eigentumswechsel und Kontrolle
Schenkungen lassen sich feinstufig steuern: Auflagen verpflichten den Beschenkten zu Tun oder Unterlassen (z. B. Weitergabe eines Grundstücksteils an die Schwester, Pflegeleistungen, Unterbeteiligung am Unternehmen). Häufigster Klassiker ist der Vorbehalt des Nießbrauchs (§ 1030 BGB): Eigentum geht über, die Nutzungen bleiben beim Übergeber – ein starkes Versorgungsinstrument. Lasten- und Instandhaltungspflichten können abweichend verteilt werden; bank- und rangtauglich wird die Lösung durch klare Grundbuchregelungen (Rang, Löschungsbewilligung, Nachweis des Todes). Praktisch sind Ersetzungsmechaniken (Nießbrauch wird zu Rente mittels Reallast). Pflichtteilsrechtlich gilt: Bei vorbehaltenem Nießbrauch beginnt die 10-Jahres-Frist des § 2325 BGB regelmäßig nicht zu laufen.
Zweckabreden ohne Klagegrund: die Zweckschenkung
Manchmal will der Schenker nur den Zweck „setzen“, nicht aber eine einklagbare Pflicht begründen (z. B. Geld „für das Medizinstudium“). Dann spricht man von Zweckschenkung. Der Zweck bildet die Geschäftsgrundlage, wird er verfehlt, kann die Rechtsgrundlage entfallen. Diese Form ist flexibler, bietet aber weniger Durchsetzungskraft als eine echte Auflage – dafür eignet sie sich, wenn Vertrauen und praktische Handhabbarkeit im Vordergrund stehen.
Schenkung auf den Todesfall: Bedingung, Vollzug und die feine Linie zum Erbrecht
Verabreden die Parteien, dass die Zuwendung erst greift, wenn der Empfänger den Schenker überlebt, ist § 2301 BGB einschlägig: Dann gelten Regeln der Verfügung von Todes wegen – mit strengen Formvorschriften. Anders, wenn die Schenkung bereits zu Lebzeiten vollzogen ist (z. B. Übergabe und Eintragung veranlasst; der Empfänger hat eine gesicherte Anwartschaft): Dann bleiben die §§ 516 ff. BGB anwendbar. Bei Grundstücken ist die Auflassung bedingungsfeindlich; hier helfen Befristung oder Vormerkungsmodelle. Wichtig: Vollzug und Bedingung sauber trennen, Widerrufsvorbehalte klar regeln, Botengänge und Zugänge rechtssicher organisieren – die Praxis scheitert oft am Timing.
Vertrag zugunsten Dritter (auf den Todesfall): Leistung „am Nachlass vorbei“
Lebensversicherungen, Bankverträge, Depotverfügungen – häufig wird die Leistung an einen benannten Dritten „mit dem Tod“ fällig. Das läuft schuldrechtlich im Deckungsverhältnis (z. B. Versicherungsvertrag) und nicht nach Erbrecht. Folge: Formzwänge des Testamentsrechts greifen nicht; maßgeblich sind die jeweiligen Vertragsbedingungen. Für die Nachfolgeplanung ist das sehr praktisch: Es lassen sich liquide Mittel gezielt steuern, Pflichtteil und Steuer sind mitzudenken, und die Dokumentation des Begünstigten sollte stets aktuell bleiben.
Selten, aber möglich: der entgeltliche Austausch im Familienverbund
Reine Kauf- oder Tauschverträge „unter Nachfolgern“ kommen vor – etwa wenn Betriebsvermögen gegen Gleichstellungsgeld und Schuldübernahme übertragen wird. Entscheidend ist die subjektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Parteien dürfen Werte unterschiedlich sehen, erst ein krasses objektives Missverhältnis kippt in eine (teilweise) Schenkung. Vertragsklarheit ist Pflicht: Welche Pflichten sind Gegenleistung, was ist Auflage, was Versorgung? Gerade bei Unternehmensübertragungen ist diese Trennschärfe Grundlage für Bankfähigkeit, Steuerneutralität und Geschwisterfrieden.
Leihe, Pacht und weitere Alternativen: Nutzung ohne Eigentumswechsel
Nicht jede Nachfolgelösung erfordert sofortige Eigentumsübertragung. Leihe (unentgeltliche Gebrauchsüberlassung) gewährt Nutzung, ohne Substanz zu verschenken – etwa bei Wohnungsrechten, die rein schuldrechtlich vereinbart werden. Pacht eignet sich, wenn ein Betrieb auf Zeit samt Ertragschance geführt werden soll. Beides kann Brücken bauen: Testphasen, Einarbeitung, oder Liquiditäts- und Haftungssteuerung, bevor „groß“ übertragen wird.
Ausstattung, Partnerschaften und Ehe: Familienrecht als Werkzeugkasten
Eltern können Kinder „ausstatten“ (§ 1624 BGB) – also Zuwendungen zur Begründung einer Lebensstellung leisten (z. B. Startkapital, Wohnung). Zwischen Ehegatten / Lebenspartnern existieren neben der Schenkung die „ehebedingte Zuwendung“ sowie güterrechtliche Stellschrauben. Zentral ist die Gestaltung des Güterstands (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft). Der Güterstandswechsel – oft als „Güterstandsschaukel“ bezeichnet – kann Vermögensausgleich lebzeitig ermöglichen, schenkungsteuerfrei und pflichtteilsfest, sofern er ernsthaft güterrechtlich motiviert und sorgfältig dokumentiert ist. Hier ist Feingefühl gefragt: Reihenfolge, Zeitabstände, Zusammenspiel mit testamentarischen Regelungen und etwaigen Rückforderungsrechten müssen abgestimmt sein.
Fazit
Vorweggenommene Erbfolge bedarf guter und strukturierter Planung. Wer Eigentum, Nutzungen, Versorgung, Pflichtteil und Steuer systematisch austariert – und die richtige „Schraube“ (Schenkung, Auflage, Nießbrauch, Vertrag zugunsten Dritter, Güterstand, Leihe / Pacht) an der richtigen Stelle setzt – schafft Frieden in der Familie und Stabilität im Unternehmen. Der Schlüssel liegt in klaren Abgrenzungen, belastbarer Dokumentation und einem Gesamtkonzept, das heute trägt und morgen flexibel bleibt.
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