Wohnrecht oder Nießbrauch – was ist besser bei der Immobilienübertragung?
Wer sein Haus übergibt, möchte oft „im Alter abgesichert“ wohnen bleiben. Zur Wahl stehen Wohnungsrecht und Nießbrauch – ähnlich, aber rechtlich und wirtschaftlich verschieden. Beide sichern „Bleiberecht“, aber mit sehr unterschiedlichen Folgen: Der Nießbrauch liefert Erträge und Gestaltungsmacht; das Wohnungsrecht ist schlanker, persönlicher, oft konfliktärmer – oder starrer. Wer überträgt, sollte wissen, was er wem verspricht.
Ausgangslage und rechtlicher Rahmen
Das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) ist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit: wohnen, aber keine umfassende Fruchtziehung. Es umfasst die Nutzung bestimmter Räume und die Mitbenutzung gemeinsamer Anlagen. Eine Drittüberlassung ist nur bei ausdrücklicher Gestattung erlaubt. Der Nießbrauch erlaubt die volle Nutzungsziehung – inklusive Vermietung und Ertrag. Bewertungs- und pfändungsrechtlich unterscheiden sich beide deutlich. Für den Nießbrauch wird ein Kapitalwert gebildet (Laufzeit, Sterbetafeln, Zinssatz), der den steuerpflichtigen Erwerb mindert. Das Wohnungsrecht wird ebenfalls bewertet, jedoch regelmäßig geringer, weil Erträge (Vermietung) fehlen oder beschränkt sind. Hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs kann ein umfassendes Wohnungsrecht ähnlich wie ein Nießbrauch den Fristanlauf hemmen, ein teilweises Wohnungsrecht dagegen eher nicht – Einzelfallprüfung bleibt Pflicht.
Typische Probleme oder Fehler in der Praxis
Oft werden Belastungsgegenstand und Ausübungsbereich unscharf beschrieben. Folge: Auslegungskonflikte im Alltag („Darf die Terrasse allein genutzt werden?“). Zweitens fehlt eine „Wegzugslösung“ für den Pflegeheimfall – das Recht bleibt bestehen, Räume stehen leer, Vermietung ist nicht erlaubt. Ein wirtschaftlicher Schaden entsteht auf beiden Seiten. Drittens: Lasten werden unklar zugewiesen; wer zahlt Strom, Heizung, Sonderumlagen, wer die „große“ Instandsetzung?
Lösungen und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
Entscheiden Sie entlang von Zielen: Sollen Erträge fließen und gesteuert werden, führt kein Weg am Nießbrauch vorbei. Steht nur das Wohnen im Vordergrund, ist das Wohnungsrecht oft ausreichend. Der Vertrag sollte Räume und Mitbenutzungsflächen exakt bezeichnen - bei Wohnungseigentum die Sondernutzungsrechte mitdenken. Eine Wegzugsklausel (auflösend bedingtes Wohnungsrecht oder Verpflichtung zur Aufgabe) schafft Handlungsfähigkeit mit beweissicherem Nachweismechanismus (Meldebescheinigung, ärztliche Atteste). Für den Übergangsfall ist eine Vermietungsgestattung mit Erlösverteilung regelbar. Zur Lastenverteilung: Es ist präzise zu regeln, ob der Eigentümer Betriebskosten und Instandhaltung trägt oder der Berechtigte. Bei weitergehenden Eigentümerpflichten kann ergänzend eine Reallast zur Sicherung sinnvoll sein. Im Übertragungsvertrag die Pflichtteils- und Steuerwirkungen transparent zu adressieren, damit Erwartungen belastbar werden.
Beispiel:
Eltern übertragen das Einfamilienhaus, die Erdgeschosswohnung wird mit Wohnungsrecht belegt, Terrasse und Gartenanteil präzise bezeichnet. Eine Wegzugsklausel ordnet das Erlöschen nach sechs Monaten Auszug an, alternativ dürfen die Kinder vermieten, Nettomiete 50/50. Betriebskosten und kleine Instandhaltung trägt der Berechtigte, außergewöhnliche Instandsetzungen die Kinder. Der Familienfrieden bleibt – auch wenn später ein Pflegeheim nötig wird.
Fazit
Wohnungsrecht und Nießbrauch sind keine Zwillinge. Wer sauber beschreibt, sich über die Zukunft Gedanken macht (Wegzug, Vermietung) und die Lasten verteilt, verhindert die häufigsten Konflikte – und bewahrt Flexibilität für die Zukunft.
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