Unternehmensnachfolge und Vollmachten: Warum Vorsorge entscheidend ist

Unternehmensnachfolge beginnt nicht erst mit der Übergabe von Anteilen, sondern mit der Sicherung der Handlungsfähigkeit – heute, morgen und im Ausnahmezustand. Ein Unfall, eine Krankheit, eine längere Reise: Schon kurze Ausfälle können Verträge blockieren, Löhne verzögern, Finanzierungen stopppen. Wer klare Vollmachten und Notfallregeln installiert, schützt Liquidität, Belegschaft und Unternehmenswert – und entlastet zugleich die Familie.

Die Basis: Unternehmervollmacht & Vorsorgevollmacht

Herzstück ist eine individuelle Unternehmervollmacht, getrennt von der privaten Vorsorgevollmacht. Sie ermächtigt eine oder zwei vertrauenswürdige Personen, geschäftskritische Entscheidungen zu treffen, Verträge zu unterschreiben, Personalmaßnahmen durchzuführen, Behörden- und Steuerangelegenheiten zu regeln und den Zahlungsverkehr freizugeben. Parallel sorgt die private Vorsorgevollmacht (mit Patientenverfügung und Betreuungsverfügung) dafür, dass über medizinische und persönliche Fragen nicht ein fremder Betreuer entscheidet. Wichtig ist die saubere Trennung: privat so schlank wie möglich, unternehmerisch so präzise wie nötig – mit klaren Geltungsgrenzen und Dokumentationspflichten.

Operative Handlungsfähigkeit: Prokura, Handlungsvollmacht, Bankzugänge

Vollmachten müssen den Alltag tragen. In der Praxis bewährt sich eine Einzel- oder Gesamtprokura für mindestens eine Person aus dem Führungskreis, ergänzt um spezielle Handlungsvollmachten (z. B. Einkauf, HR, IT, Datenschutz). Für den Zahlungsverkehr braucht es Bankvollmachten und eine robuste Signatur- und Rechteverwaltung: Zwei-Faktor-Authentifizierung, Freigabegrenzen, Vertreterregeln, Notfallfreischaltung. Genauso kritisch sind Zugänge zu ELSTER, Zoll- / BA-Portalen, Cloud-Systemen, USt-ID, E-Rechnung, Lohnsoftware – inklusive dokumentierter Vertretungskette und hinterlegter Security-Token. Ohne diese Basics bleiben selbst die besten Gesellschaftsregeln wirkungslos.

Gesellschaftsrechtlich vorsorgen: Notfallklauseln im GmbH-Vertrag

Der Gesellschaftsvertrag muss Ausfälle voraussehen und abfedern: Vinkulierung und Zustimmungsvorbehalte so gestalten, dass Vertretungen tatsächlich entscheiden können; einen Beirat / Advisory Board mit klaren Übergangsbefugnissen ausstatten; Notfallklauseln für schnelle Beschlüsse (verkürzte Ladungsfristen, digitale Beschlussfassung, Ersatzversammlungen) verankern; Deadlock-Mechanismen und Schiedsgutachten zur Streitbeilegung festlegen; Abberufung, Bestellung und Nachrücken von Geschäftsführern eindeutig regeln; sowie eine belastbare Abfindungs- und Bewertungslogik (IDW S 1 / Ertragswert, Stichtag, Minderheits-/Marktabschlag, Earn-out-Elemente) mit klarer Zahlungsmechanik fixieren. So bleibt das Unternehmen im Ernstfall handlungsfähig – bei voller Rechts- und Steuerkonformität.

Das Governance-Dreieck: Vollmacht, Organbeschluss, Stimmbindung

Vollmachten sind stark, werden aber unschlagbar, wenn sie mit Organbeschlüssen und Stimmbindungsvereinbarungen verzahnt sind. Empfehlenswert ist eine Beschlusskaskade:

1) interne Notfallanordnung (wer entscheidet was, in welcher Reihenfolge),

2) Gesellschafterbeschluss zu Befugniserweiterungen auf Zeit,

3) Stimmbindung, die die Handlungsfähigkeit absichert, ohne Minderheitenrechte auszuhebeln.

So entsteht ein rechtsicherer Brückenschlag zwischen privater Vorsorge und gesellschaftsrechtlicher Steuerung.

Der Notfallkoffer: was sofort verfügbar sein muss

Ein digitaler und ein versiegelter physischer Notfallkoffer sichern das erste 72-Stunden-Fenster: beglaubigte Vollmachten, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführerbestellungen, Prokura-Registerauszug, Bank- und Zahlungsfreigaben, Versicherungen, Miet- / Leasing- / Lieferverträge, IT-Administratorzugänge, Passwort- / Token-Übergabe, Ansprechpartnerlisten (Hausbanken, Steuerberater, Lohnbüro, Rechtsanwalt, Key-Kunden, Key-Lieferanten), Prozesshandbuch „Wer ruft wen an?“. Hinterlegen Sie Ort und Zugriffsrechte in der Vollmacht – sonst weiß im Ernstfall niemand, dass alles vorhanden ist.

Familien- und Eigentümerdimension: klare Rollen, klare Erwartungen

Viele Nachfolgekrisen sind Kommunikationskrisen. Legen Sie fest, wer im Ereignisfall welche Rolle übernimmt: operativ, eigentümerseitig, kommunikativ. Vereinbaren Sie Leitplanken (z. B. keine Ausschüttungen ohne Liquiditätsplanung, Invest-Stop nur bei definierten Kennzahlen) und definieren Sie Meilensteine für eine spätere Übergabe. Das schafft Vertrauen – nach innen und außen.

Compliance & Aktualisierung: klein anfangen, konsequent pflegen

Vorsorge ist kein Einmalakt. Prüfen Sie jährlich: passt die Bevollmächtigtenliste? Stimmen Freigabegrenzen? Sind alle Registermeldungen (Transparenzregister / UBO, Handelsregister, Berufsregister) aktuell? Wurden Bank- und Cloud-Rechte nach Personalwechseln angepasst? Ein Quartals-Mini-Audit verhindert, dass Vollmachten „veralten“.

Fazit

Vollmachten sind das Sicherungsnetz der Unternehmensnachfolge. Wer Unternehmervollmacht, Prokura, Bankzugänge und Gesellschaftsvertrag aufeinander abstimmt, verhindert Stillstand, schützt Werte und gewinnt Zeit für die eigentliche Übergabe. Gute Vorsorge ist unsichtbar – bis sie Leben rettet: das Unternehmens-Leben.

Lesen Sie auch:

Jetzt Termin vereinbaren
Previous
Previous

Bewertung bei Unternehmensübergabe: Wie wird der Unternehmenswert ermittelt?

Next
Next

Unternehmensnachfolge durch Schenkung oder Verkauf – was ist besser?