Zugewinnausgleich und Steuer: Wann Zahlungen steuerfrei bleiben
Der Zugewinnausgleich gehört zu den zentralen Mechanismen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft. Er sorgt dafür, dass beide Ehegatten im Fall der Scheidung wirtschaftlich fair behandelt werden – unabhängig davon, wer während der Ehe wie viel verdient oder Vermögen aufgebaut hat. Was häufig unterschätzt wird: Zugewinnausgleichszahlungen können erhebliche Vermögensverschiebungen auslösen, insbesondere wenn Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder sonstige wertvolle Vermögenswerte im Spiel sind.
Der folgende Beitrag zeigt umfassend, wann der Zugewinnausgleich steuerfrei bleibt, wo die Abgrenzungsprobleme liegen, welche Fallgruppen die Rechtsprechung entwickelt hat und wie sich durch saubere Gestaltung steuerliche Nachteile zuverlässig vermeiden lassen.
1. Warum der Zugewinnausgleich grundsätzlich steuerfrei ist
Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht enthält eine klare Regelung: Vermögensübertragungen zwischen Ehegatten, die allein der Durchführung des Zugewinnausgleichs dienen, sind keine Schenkungen und lösen daher keine Steuer aus. Der Gesetzgeber behandelt diese Vermögensverschiebungen als rein vermögensrechtliche Konsequenz des Güterstandes, nicht als steuerbare Bereicherung.
Der Zugewinn selbst wird erst am Ende der Ehe berechnet und stellt lediglich die Hälfte der Vermögensmehrung dar, die während der Ehezeit entstanden ist. Der Ausgleichsanspruch folgt aus dem Gesetz – er entsteht automatisch mit der Beendigung des Güterstandes. Deshalb handelt es sich nicht um eine freiwillige Zuwendung, sondern um eine gesetzliche Vermögenszuordnung, vergleichbar mit einem Anspruch aus einem schuldrechtlichen Vertrag.
Damit steht fest: Die Zahlung des Ausgleichsbetrages bleibt unabhängig von der Höhe steuerfrei. Auch Übertragungen von Immobilien, Wertpapieren oder Unternehmensanteilen lösen keine Schenkungsteuer aus, wenn sie ausschließlich der Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs dienen.
2. Steuerfreiheit bei Immobilien: Keine Grunderwerbsteuer, keine Schenkungsteuer
Wird der Zugewinnausgleich durch die Übertragung einer Immobilie erfüllt, profitieren die Beteiligten doppelt. Denn neben der Schenkungsteuer entfällt auch die Grunderwerbsteuer. § 3 Nr. 5 GrEStG stellt klar, dass Grundstücksübertragungen im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen, solange die Übertragung zwischen den Ehegatten erfolgt.
Damit ist eine vollständige Vermögensübertragung steuerfrei möglich – selbst bei hochpreisigen Immobilienportfolios. Wichtig ist jedoch, dass die Übertragung tatsächlich als Erfüllung eines Zugewinnausgleichsanspruchs erfolgt und nicht als freiwillige Vermögensübertragung. Die notarielle Gestaltung ist hier entscheidend.
3. Besondere Fallgruppe: Unternehmensanteile im Zugewinnausgleich
Bei Unternehmensanteilen – insbesondere GmbH-Beteiligungen oder Kommanditanteilen – stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Übertragung steuerlich privilegiert bleibt. Auch hier gilt: Wird der Ausgleichsanspruch durch oder unter Einbeziehung von Unternehmensanteilen erfüllt, bleibt die Übertragung steuerfrei, unabhängig vom Unternehmenswert.
Allerdings sollte bei Unternehmen stets eine vorausschauende Strukturierung erfolgen:
Übertragungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen müssen beachtet werden.
Die Bewertung des Unternehmens (Stuttgarter Verfahren, Ertragswert, vereinfachtes Ertragswertverfahren) bestimmt die Höhe des Zugewinns.
Steuerliche Vorteile wie Betriebsvermögensprivilegien greifen hier nicht (weil es keine Schenkung ist).
Für Unternehmer ist deshalb oft eine Kombination aus modifizierter Zugewinngemeinschaft, Ehevertrag und restriktiven gesellschaftsvertraglichen Vorkehrungen sinnvoll, um spätere Konflikte und Bewertungsprobleme zu vermeiden.
4. Wann steuerliche Risiken entstehen – die drei kritischsten Situationen
Trotz der grundsätzlichen Steuerfreiheit existieren Fallgruppen, in denen Finanzämter genauer prüfen oder sogar Steuerpflichten annehmen können. Diese Situationen beruhen häufig auf Gestaltungen, die nicht sauber dokumentiert oder wirtschaftlich nicht eindeutig dem Zugewinnausgleich zugeordnet sind.
a) Vermögensübertragungen, die über den Zugewinnausgleich hinausgehen
Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte mehr bekommt, als ihm gesetzlich zusteht, kann der überschießende Teil als Schenkung behandelt werden. Dies ist besonders relevant, wenn Immobilienanteile oder Gesellschaftsanteile übertragen werden, deren Wert deutlich über dem rechnerischen Ausgleichsanspruch liegt.
b) Übertragungen an Dritte (z. B. Kinder, neue Partner, Geschwister)
Die Steuerprivilegien gelten ausschließlich zwischen den Ehegatten. Wird der Zugewinnausgleich „im Paket“ so gestaltet, dass Dritte Vermögen erhalten, sind diese Vermögensübertragungen steuerpflichtig, sofern keine anderweitigen Freibeträge bestehen.
c) Vorgelagerte oder „künstliche“ Änderungen des Güterstandes
Der Wechsel von der Zugewinngemeinschaft zur Gütertrennung mit anschließender Ausgleichszahlung führt – wenn nicht sorgfältig gestaltet – häufig zu Missverständnissen. Grundsätzlich ist auch der Zugewinnausgleich bei Güterstandswechsel steuerfrei (§ 5 Abs. 1 ErbStG). Fehler passieren jedoch, wenn:
die Berechnung des Ausgleichs nicht gesetzeskonform dokumentiert wird,
Vermögensübertragungen dem Ausgleich „vorgeschaltet“ werden,
oder der Güterstandswechsel kurz vor Schenkungen an Dritte erfolgt.
In solchen Konstellationen droht der Vorwurf einer steuerlichen Umgehung, was Finanzämter zu erhöhtem Prüfungsbedarf veranlasst.
5. Einkommensteuerliche Besonderheiten
Während der Zugewinnausgleich erbschaft- und schenkungsteuerlich grundsätzlich neutral ist, können einkommensteuerliche Aspekte eine Rolle spielen – insbesondere bei Immobilien oder Unternehmen. Die Ausgleichszahlung selbst ist zwar nie einkommensteuerpflichtig, aber:
Bei der Übertragung eines vermieteten Objekts können Abschreibungspotenziale verloren gehen.
Wird eine Immobilie mit Betrieben oder Gewerbebetrieb übertragen, sind stille Reserven zu beachten.
Bei Betriebsvermögen kann eine Übertragung zu einer gewerbesteuerlichen Betriebsaufgabe führen, wenn sie falsch strukturiert wird.
Auch hier zeigt sich: Der Zugewinnausgleich selbst ist steuerfrei – aber die Art der Erfüllung kann einkommensteuerliche Konsequenzen haben, wenn sie nicht professionell umgesetzt wird.
6. Der Zugewinnausgleich als strategisches Gestaltungsmittel
Die meisten Ehegatten betrachten den Zugewinnausgleich als ein reines Scheidungsinstrument. Tatsächlich kann er – richtig eingesetzt – aber weit mehr:
geordnete Vermögensverschiebung ohne steuerlichen Nachteil,
Vorbereitung einer geplanten Vermögensstruktur (z.B. Immobilien aufteilen),
steuerneutraler Ausgleich bei Unternehmensnachfolgen,
rechtssichere Vermögensübertragung ohne die Strenge des Schenkungsrechts,
Schutz des Vermögens vor Haftungs- oder Pfändungszugriffen eines Ehegatten.
Vor allem in Unternehmerfamilien, Patchwork-Konstellationen und bei hohen Immobilienwerten bietet der Zugewinnausgleich Gestaltungsspielräume, die außerhalb des Güterrechts schlicht nicht existieren.
Fazit
Der Zugewinnausgleich ist steuerlich privilegiert wie kaum ein anderes Instrument der Vermögensübertragung. Wenn die Übertragung sauber dokumentiert ist und der wirtschaftliche Zusammenhang klar besteht, bleibt sie vollständig steuerfrei – unabhängig von der Höhe der Zahlungen oder dem Wert der übertragenen Güter.
Steuerliche Risiken entstehen erst dort, wo die Abgrenzung unsauber wird: bei Übertragungen an Dritte, bei überhöhten Leistungen oder bei missverstandenen Güterstandswechseln. Mit einer präzisen und durchdachten Gestaltung lassen sich diese Risiken ausschließen, während die steuerlichen Vorteile in vollem Umfang genutzt werden.
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