Betriebsverpachtung: Gestaltung zwischen Aufgabe, Fortführung und Steueroptimierung

Die Verpachtung eines Gewerbebetriebs, eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder einer freiberuflichen Praxis gehört zu den vielseitigsten und zugleich anspruchsvollsten Gestaltungsinstrumenten im Steuerrecht. Sie wird häufig eingesetzt, wenn der Unternehmer seine aktive Tätigkeit vorübergehend einstellen, sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen oder den Betrieb im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge übergeben möchte, ohne sofort die steuerlich belastende Betriebsaufgabe auszulösen.

Der zentrale Grundsatz lautet: Eine Verpachtung führt nicht zwingend zu einer Betriebsaufgabe. Vielmehr gilt der Betrieb steuerlich als „ruhend“, solange der Verpächter die objektive Möglichkeit und subjektive Absicht hat, die Tätigkeit später wieder aufzunehmen – sei es selbst oder durch einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger. Diese Wahlmöglichkeit zwischen Fortführung und Aufgabe ist das Herzstück der steuerlichen Gestaltung.

1. Die Grundkonzeption: Verpachtung als Betriebsunterbrechung

Wird ein Betrieb verpachtet, geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass lediglich eine Unterbrechung des bisherigen Betriebs vorliegt. Das bedeutet: Der Betrieb existiert steuerlich weiter, die verpachteten Wirtschaftsgüter bleiben Betriebsvermögen und die stillen Reserven werden nicht aufgedeckt. Der Verpächter erzielt weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. aus Land- und Forstwirtschaft, allerdings ohne Gewerbesteuerpflicht, weil die aktive Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr entfällt.

Diese steuerliche Fortführung ist so lange möglich, wie der Verpächter dem Finanzamt keine Aufgabeerklärung abgegeben hat. Allein dieser formfreie, aber eindeutige Schritt beendet das Wahlrecht und führt zur Betriebsaufgabe mit den entsprechenden steuerlichen Folgen.

2. Das Wahlrecht des Verpächters

Die Betriebsverpachtung vermittelt ein einzigartiges Wahlrecht: Der Verpächter kann jederzeit entscheiden, ob er den Betrieb fortführen oder aufgeben möchte. Dieses Wahlrecht ist allerdings an sachliche und persönliche Voraussetzungen geknüpft.

Sachliche Voraussetzungen

Verpachtet werden muss ein lebender Betrieb oder Teilbetrieb. Entscheidend ist nicht die Vollständigkeit aller Wirtschaftsgüter, sondern das Vorliegen der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Welche Wirtschaftsgüter wesentlich sind, bestimmt sich funktional: Relevant ist, ob der Unternehmer bei Rücknahme der Wirtschaftsgüter den Betrieb im Wesentlichen so fortführen könnte wie zuvor.

Nicht erforderlich ist, dass der Betrieb an einen branchenkundigen oder qualifizierten Pächter überlassen wird. Selbst eine abweichende Nutzung durch den Pächter (z. B. Anpassung des Warensortiments, andere Betriebsart) ist unschädlich, solange die wesentlichen Betriebsgrundlagen nicht so umgestaltet werden, dass eine spätere Fortführung unmöglich würde.

Die Nutzungsüberlassung muss nicht zwingend auf einem Pachtvertrag beruhen. Auch Mietverträge, Wirtschaftsüberlassungsverträge oder unentgeltliche Überlassungen sind ausreichend. Allerdings darf keine Betriebsaufspaltung vorliegen; andernfalls entfällt das Wahlrecht.

Persönliche Voraussetzungen

Der Verpächter muss natürliche Person oder nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft sein. Kapitalgesellschaften und gewerblich geprägte Personengesellschaften besitzen das Wahlrecht nicht, da deren gesamtes Vermögen ohnehin Betriebsvermögen ist.

Der Verpächter muss Eigentümer oder Nutzungsberechtigter des Betriebes sein und ihn selbst geführt haben. Rechtsnachfolger treten – bei unentgeltlichem Erwerb – in seine Position ein.

Die früher erforderliche „Fortführungsabsicht“ des Verpächters wird heute nicht mehr streng geprüft. Entscheidend bleibt lediglich, dass die Möglichkeit einer späteren Betriebsfortführung objektiv besteht.

3. Steuerliche Folgen der Betriebsfortführung

Solange der Verpächter das Wahlrecht nicht ausübt, bleibt der Betrieb bestehen. Die Pachteinnahmen gelten als betriebliche Einkünfte, die Wirtschaftsgüter bleiben steuerverhaftet. Der Verpächter darf die Wirtschaftsgüter weiter abschreiben; stille Reserven werden nicht aufgedeckt. Auch unentgeltlich überlassene oder nicht mitverpachtete Betriebsgegenstände bleiben Betriebsvermögen, bis sie ausdrücklich entnommen oder veräußert werden.

Die Verpachtung führt zu einer Art „Doppelbetrieb“: einem ruhenden Eigentümerbetrieb beim Verpächter und einem wirtschaftenden Betrieb beim Pächter. Beide bilanzieren getrennt.

4. Die Betriebsaufgabe: Erklärung als Zäsur

Soll der Betrieb endgültig aufgegeben werden, ist eine ausdrückliche Aufgabeerklärung gegenüber dem Finanzamt erforderlich. Mit ihr werden alle Wirtschaftsgüter des bisherigen Betriebsvermögens zu Privatvermögen, stille Reserven aufgedeckt und der Aufgabegewinn nach §§ 16, 34 EStG begünstigt versteuert. Eine Aufgabeerklärung ist unwiderruflich, außer sie wurde ausnahmsweise für die Zukunft abgegeben.

Ein originär oder derivativ entstandener Geschäftswert bleibt allerdings Betriebsvermögen und führt im Falle einer späteren Veräußerung zu nicht begünstigten Einkünften.

5. Unternehmens- und erbschaftsteuerliche Besonderheiten

Erbschaftsteuerlich bleibt der ruhende Betrieb grundsätzlich begünstigungsfähiges Betriebsvermögen. Die Verpachtung führt nicht automatisch zum schädlichen Verwaltungsvermögen, es sei denn, bestimmte Konstellationen liegen vor. Besonderheiten ergeben sich insbesondere, wenn der Erwerber bereits Pächter war oder der verpachtete Betrieb im Rahmen einer Übergangsphase übergeben wird.

Für Kapitalgesellschaften gilt: Die Gewerbesteuerpflicht entfällt bei Verpachtung nicht. Bei natürlichen Personen schon.

6. Pachtvertragliche Gestaltung und Risikosteuerung

Da das Wahlrecht vom Zustand der wesentlichen Betriebsgrundlagen abhängt, sollte der Pachtvertrag klare Vorgaben enthalten:

  • Pflicht des Pächters zur Fortführung des Betriebs in seiner Struktur

  • Zustimmungsvorbehalte für wesentliche Umgestaltungen

  • Verbot der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen

  • Regelungen zur Substanzerhaltung

Ohne solche vertraglichen Sicherungen läuft der Verpächter Gefahr, dass der Pächter durch substanzielle Veränderungen die Möglichkeit einer Fortführung zerstört – mit der Folge einer zwangsweisen Betriebsaufgabe.

7. Betriebsübertragung trotz laufender Verpachtung

Wird der Verpachtungsbetrieb unentgeltlich übertragen, geht das Wahlrecht auf den Erwerber über. Bei entgeltlicher Übertragung handelt es sich um eine Betriebsveräußerung, die zur Aufdeckung der stillen Reserven führt. Wird der Betrieb hingegen vom Pächter übernommen, erlischt das Wahlrecht, aber es kommt nicht zwingend zur Betriebsaufgabe, solange die Übertragung unentgeltlich erfolgt.

Fazit

Die Betriebsverpachtung ist eines der flexibelsten und gleichzeitig anspruchsvollsten Instrumente bei der Unternehmensnachfolge, der vorweggenommenen Erbfolge und der strategischen Steuerplanung. Sie ermöglicht die Sicherung von stillen Reserven, die Verschiebung der Aufgabeentscheidung und die steueroptimierte Übergabe an die nächste Generation. Gleichzeitig birgt sie erhebliche Risiken, wenn der Pachtvertrag unzureichend strukturiert ist oder wesentliche Voraussetzungen unbeachtet bleiben. Eine sorgfältige Gestaltung ist daher unverzichtbar.

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